Gewaltfrei kommunizieren – das bedeutet es wirklich

„Bleib mir bloß weg mit dem esoterischen Kram!“

„Ich brauch das nicht, ich bin immer nett.“

„Was soll ich denn in so einem Kurs? Ich schreie gar nicht rum!“

All diese Sätze habe ich schon gehört, als es um mein Thema gewaltfreie Kommunikation ging. Diese Reaktionen bringen mich eher zum Schmunzeln. Deswegen kläre ich heute mal auf: Was ist eigentlich gewaltfreie Kommunikation und wozu ist sie da?

Gewaltfrei kommunizieren – wertschätzende Kommunikation auf Augenhöhe

GFK steht für gewaltfreie Kommunikation. Dabei handelt es sich um eine Art der Kommunikation, der Wertschätzung und Achtsamkeit sehr wichtig ist. Ich nenne sie auch gern stressfreie Kommunikation.

Sie ist sprachlich strukturiert durch vier Schritte und geprägt von einem Miteinander statt Gegeneinander, besonders durch den Perspektivwechsel. Besonders häufig wird sie genutzt, wenn es um Konfliktprävention und Konfliktklärung geht.

Die Form der vier Schritte und die sprachlichen Besonderheiten, auf die ich weiter unten eingehe, entsteht durch die gewaltfreie Haltung.

Wer hat die GFK entwickelt?

Marshall B. Rosenberg, der 1934 geboren wurde und leider 2015 verstarb, entwickelte die gewaltfreie Kommunikation. Die Giraffe nutze er gern als Symbol für gewaltfreie Kommunikation, den Wolf für gewaltvolle Kommunikation (im Original den Schakal, wir haben ihn zum Wolf gemacht im Deutschen).

Hier ein paar Eckdaten:

  • 1961 Promotion (Psychologie)
  • Gründer der gewaltfreien Kommunikation (englisch Nonviolent Communication)
  • Arbeit mit Bürgerrechtlern in den 1960er Jahren
  • international tätiger Mediator
  • 1984 Gründung Center for Nonviolent Communication
  • lebte in Albuquerque, New Mexico

Beeinflusst wurde er unter anderem durch Gandhis Überlegungen zur Gewaltfreiheit und durch seinen Lehrer Carl Rogers, den er in seinem Psychologie Studium kennen lernte.

„Seitdem habe ich einen spezifischen Zugang zur Kommunikation entdeckt – zum Sprechen und zum Hören -, der uns dazu führt, von Herzen zu geben, indem wir mit uns selbst und mit anderen auf eine Weise in Kontakt kommen, die unser natürliches Einfühlungsvermögen zum Ausdruck bringt. Ich nenne diese Methode Gewaltfreie Kommunikation und benutze den Begriff Gewaltfreiheit im Sinne von Gandhi: Er meint damit unser einfühlendes Wesen, das sich wieder entfaltet, wenn die Gewalt in unseren Herzen nachlässt. Wir betrachten unsere Art zu sprechen vielleicht nicht als ‚gewalttätig‘, dennoch führen unsere Worte oft zu Verletzung und Leid – bei uns selbst oder bei anderen.“

(Marshall Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens, Junfermann, 2009, S. 18.)

Marshall B. Rosenbergs Wunsch

Rosenberg wollte, dass alte Verhaltensmuster wie Verteidigung, Rückzug oder auch Angriff durch die GFK überwunden werden, damit wir den Menschen sehen können mit dem, was ihm wichtig ist. Dazu sind Wertschätzung und Aufmerksamkeit gegenüber mir und meiner Umwelt hilfreich. Diese fördern eher den Wunsch von Herzen zu geben, als wenn wir jemanden durch drohen und bestrafen manipulieren.

So könnte man die gewaltfreie Kommunikation auch als wertschätzende, achtsame oder auch empathische Kommunikation bezeichnen, denn das ist es, was sie ausmacht.

Was ist gewaltvolle Kommunikation?

Fragst du dich, was ist gewaltvolle Kommunikation? Spricht man da übers Beleidigen und Anschreien?

Nein, in der GFK sagen wir, dass es nicht nur gewaltvoll ist, wenn man sich beschimpft, sondern auch, wenn man dem anderen Etiketten anklebt (SO bist du und nicht anders), ihn über Belohnung und Bestrafung zu etwas bringen will, was er selbst nicht mag und einiges andere mehr. Hier noch ein Zitat dazu von Rosenberg:

„Anstatt eine Sprache des Lebens, eine Sprache von Gefühlen und Bedürfnissen sprechen zu lernen, wurde üblicherweise eine Sprache von Kritik, moralisierenden Beurteilungen, Analysen und Diagnosen gelehrt. Sie haben gelernt zu anderen zu sagen: „Das Problem mit dir ist, …“ und sie haben einen großen Wortschatz dafür, anderen Menschen zu sagen, was mit ihnen nicht in Ordnung ist.

Wir meinen, dass jede Art von Sprache, die sich für andere als Kritik anhört, ein tragischer Ausdruck dafür ist, dass die eigenen Bedürfnisse nicht befriedigt werden.

Eine weitere Kommunikationsform, die zu Gewalttätigkeit beiträgt und Mitgefühl nur schwer möglich macht, ist jede Art von Sprache, die keine Wahl lässt. Sprache des „zu Habens, Sollens, Müssens und nicht Könnens“.

(Marshall Rosenberg: Eine Sprache des Mitgefühls, durch „gewaltfreie Kommunikation“ können unsere Beziehungen und unser Leben bereichert werden, ein Interview mit Marshall B. Rosenberg, www.touch the future.com, 2004.)

Praktisches Beispiel für gewaltfreie Kommunikation

Stelle dir vor, du hast eine Situation und du ärgerst dich richtig über die andere Person. Jetzt kannst du deinem Ärger Luft machen und den anderen anschnauzen und ihm erzählen, für wie „blöd“, „ungeschickt“, „unfähig“ oder was auch immer du ihn hältst. Vielleicht ist genau dass, was du jetzt brauchst. Die Person ist dir auch egal, weil du sie eh nicht mehr oft sehen wirst. Dann mag das jetzt auch okay sein.

Beispiel: Du möchtest wertschätzend sein

Nun stelle dir vor, du willst den anderen eigentlich nicht verletzen und die Kommunikation zwischen euch nicht blockieren. Vielleicht nimmst du dann kurz Abstand von der Situation, holst tief Luft und horchst mal in dich hinein.

Magst du dich jetzt direkt mit deinem Gegenüber darüber unterhalten? Oder sind deine Gefühle doch so stark, dass du eine Nacht darüber schlafen willst?

Auch das ist okay, denn wenn du zu „geladen“ bist, fällt es dir wahrscheinlich schwer, auf der Sachebene zu bleiben und den anderen nicht direkt anzugreifen.

Hast du dich dazu entschieden, die Sache jetzt in Angriff zu nehmen, könntest du es wie folgt in den vier Schritten umsetzen.

❶ Beobachtung – was habe ich gesehen und gehört?

❷ Gefühle – wie geht es mir jetzt?

❸ Bedürfnisse – was brauche ich, damit es mir besser geht?

❹ Bitte – worum kann ich konkret bitten?

Gewaltfrei kommunizieren: 1.  Schritt objektive Situationsbeschreibung

Wie könntest du diese Situation objektiv betrachtet beschreiben? Also ohne Wertung? Also ohne „immer“, „schon wieder“, „wie immer“, „nie“, „alle“,  „keiner“ etc.

Beispiel Zuverlässigkeit: Du bist verabredet mit einem Kollegen für die Erstellung einer Präsentation. Um 16h war euer Termin, nun ist es 16.30 und es ist niemand da außer dir. (Statt der andere ist immer zu spät, nie kommt er pünktlich, bist du  ihm überhaupt wichtig? …)

Gewaltfrei kommunizieren: 2. Schritt Gefühle

Was fühlst du jetzt gerade? Wie geht es dir in dieser Situation? Bleiben wir mal bei der Zuverlässigkeit…ist es Wut, die in dir hochkommt, Enttäuschung oder doch nur Irritation?

Oft sind wir sauer, weil wir interpretieren, dass wir dem anderen nicht wichtig sind. Der bloße Fakt der Verspätung würde wahrscheinlich nicht zu einem so starken Gefühl führen.

Unter dem Artikel findest du auch einen Link, über den du dir meine Gefühlsliste runterladen kannst.

Gewaltfrei kommunizieren: 3. Schritt Bedürfnis

Bedürfnisse sind unabhängig von Zeit, Ort, Raum und Personen. Sie sind also nicht sehr konkret. Dafür haben alle Menschen die selben Bedürfnisse, wenn auch nicht immer zur selben Zeit und nicht gleich stark. Beispiele sind Sicherheit, Geborgenheit, Anerkennung, Wertschätzung, Sinnhaftigkeit oder auch Spaß und Spiel.

Welches Bedürfnis wurde in dieser Situation nicht erfüllt, hat deshalb zu deinem Gefühl geführt und lässt dich jetzt schlechte Gefühle haben?

Was steckt also dahinter, dass du dich so fühlst? Ist dir Klarheit wichtig und du willst jetzt nur wissen, dass der andere noch kommt, es ihm gut geht oder warum er zu spät kommt?

Gewaltfrei kommunizieren: 4. Schritt Bitte

Bitten sind besonders wirkungsvoll, wenn es für dich wirklich in Ordnung ist, wenn der andere „nein“ sagt. Sonst ist es eher eine Forderung von dir ?.

Versuche dabei so konkret wie möglich zu sein und zu sagen, was du möchtest anstatt zu sagen, was du nicht mehr möchtest. Schaue auch im Vorfeld, ob das für den anderen überhaupt realistisch und beeinflussbar ist.

  • der andere kann „Nein“ sagen
  • konkret
  • positiv
  • beeinflussbar
  • realistisch

Nach der Beschreibung der Situation, dem Gefühl der Verwirrung und dem Bedürfnis nach Klarheit könnte deine Bitte lauten: „Magst du mir sagen, woran es lag, dass…?“. Letztlich hast du dann also eher ein klärendes Gespräch.

Die vier Schritte zusammengefasst

Die wertfreie Situationsbeschreibung, kombiniert mit Irritation als Gefühl und die Klarheit als Bedürfnis mit der Bitte nach einem Gespräch ist die einfachste Variante in der gewaltfreien Kommunikation.

So gibst du nicht zu viel von dir preisgibt, wenn du das nicht willst. Über die eigene Irritation zu sprechen fällt den meisten leichter.

Diese Version kann man auch als Mann mit dem Chef so ansprechen. Nicht, weil ich Vorurteile hätte und denke, Männer reden nicht über ihre Gefühle.

Sondern, weil ich in meinen Kursen immer wieder von Männern höre, dass sie im Business-Kontext nicht über ihre Emotionen sprechen wollen. Besonders nicht, wenn es mit einem anderen Mann, vielleicht noch dem Vorgesetzten, sein wird.

Du entscheidest stets je nach Situation und Gesprächspartner, was du von dir erzählen magst, wie tief du also blicken lassen willst.

Ein Bedürfnis nach Klarheit sagt ja auch weniger über dich aus, als wenn du von Bedürfnissen wie Nähe und Geborgenheit sprichst, die gerade nicht erfüllt sind.

War es das?

Das war jetzt nur ein kleiner Einblick in die gewaltfreie Kommunikation. Da gehört noch so viel mehr dazu, denn du gehst nach diesen vier Schritten normalerweise nicht direkt ins Gespräch, sondern erst noch in die Fremdeinfühlung. Außerdem gibt es noch ganz viel zu sagen zu den Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation, die dann zu den vier Schritten führen. Deswegen habe ich dir hier noch einige Links unten angehängt ;).

Und wenn du nicht so gern so viel lesen, sondern das Ganze praktisch üben willst, dann kannst du auch gern eins meiner Trainings besuchen.

Oder lernst du lieber im eigenen Tempo? Dann schaue dir hier das job-begleitende Training an.

Ich freu mich auf Dich!

Alles Liebe

deine Susanne

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Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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