Gewaltfreie Kommunikation im Gespräch

Wie führst du Gespräche mit deinem Team, wenn es Probleme oder Spannungen gibt? Ein Weg ist die gewaltfreie Kommunikation. Sie hilft dir,  Konflikte leichter anzusprechen und auf Augenhöhe mit deinem Gegenüber zu kommunizieren. Doch wie funktioniert die gewaltfreie Kommunikation im Gespräch nun genau?

Gewaltfreie Kommunikation praktisch anwenden – so funktioniert es

In den letzten Jahren habe ich schon ganz viele Artikel geschrieben über die gewaltfreie Kommunikation und ihre Anwendung, da sie mir so am Herzen liegt und mir schon so oft geholfen hat.

In diesem Blogartikel möchte ich dir mal direkt ein Beispiel dazu geben, wie das Ganze vor der Durchführung und im Gespräch aussehen könnte, um diese Methode für dich noch greifbarer zu machen. Das kannst du gut nutzen, um deinen Mitarbeitenden oder auch Kooperationspartnern Feedback zu geben und so für mehr Wertschätzung und Klarheit zu sorgen. Ganz wichtig ist mir zu betonen, dass das kein Muss ist, sondern nur eine Hilfestellung. Auch musst du die vier Schritte weder in der Reihenfolge nutzen, noch musst du immer über Gefühle sprechen.

Mir geht es eher darum zu beschreiben, wie es aussehen kann, wenn es für dich und die Situation auch wirklich passend ist, die gewaltfreie Kommunikation im Gespräch anzuwenden.

Die vier Schritte der GFK

Für den Überblick nenne ich hier die vier Schritte, die wir in der GFK für uns selbst und für den anderen gehen. Zu den einzelnen Schritten und ihren Besonderheiten habe ich ebenfalls Artikel verfasst. Du findest sie alle in der Linkliste unter diesem Beitrag ;).

1. Beobachtung

2. Gefühl

3. Bedürfnis und

4. Bitte

Die zwei Bestandteile- Selbsteinfühlung und Fremdeinfühlung

Diese vier Schritte Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte gehst du zuerst einmal im Stillen für dich durch, bevor du überhaupt das Gespräch suchst. Das bezeichnen wir in der GFK als Selbsteinfühlung.

Ein Beispiel macht es deutlicher. Ich hatte einen Konflikt mit einem Lieferanten, nennen wir ihn mal Hannes. Zuerst versetze ich mich in mich selbst und gehe die vier Schritte durch:

1. Was beobachte ich?

2. Was fühle ich?

3. Was brauche ich, damit es mir wieder besser geht?

4. Was könnte ich erbitten, damit mein Bedürfnis erfüllt ist?

1. Hannes hat mir gesagt, zu wann er die Unterlagen liefern wird. Zum verabredeten Zeitpunkt war das Produkt nicht in meinem Emaileingang.

2. Ich bin verwundert und ärgerlich.

3. Ich brauche Informationen für meine Klarheit, zu wann ich mit dem Flyer rechnen kann.

4. Bitte sage mir, woran es gelegen hat, dass ich die Unterlagen noch nicht habe. Sage mir bitte, zu wann ich damit rechnen kann.

Fremdeinfühlung

Nach der Selbsteinfühlung, versuchst du dich in den anderen hineinzuversetzen. Das nennt sich Fremdeinfühlung.

Du überlegst dir also, wie könnte er das Ganze sehen. „Ich“ bist jetzt du als dein Konfliktpartner. Also in meinem Fall würde ich in Hannes gehen und überlegen, wie Hannes das Ganze sehen könnte. Wenn dir das am Anfang noch schwer fällt, kannst du auch gemeinsam mit einem Freund oder einer Freundin überlegen, was bei deinem Konfliktpartner hinter dem Verhalten stecken könnte ;).

1. Was beobachte ich als Hannes?

2. Was fühle ich als Hannes?

3. Was brauche ich als Hannes, damit es mir wieder besser geht?

4. Was könnte ich als Hannes erbitten, damit mein Bedürfnis erfüllt ist?

Fremdeinfühlung: Ich als Hannes

1. Ich habe Susanne gesagt, zu wann ich die Unterlagen liefern werde. Zum verabredeten Zeitpunkt habe ich das Produkt nicht geliefert.

2. Ich bin gefrustet und überlastet.

3. Ich brauche Verständnis und Erholung.

4. Bitte sage mir, ob es für dich okay ist, wenn du den Flyer erst in drei Tagen bekommst.

Spekulation für Perspektivwechsel

Natürlich kommt es hier zu Spekulationen, doch es geht darum, von der eigenen Sicht wegzukommen und offen zu werden für den anderen und seine Beweggründe. Dieser Perspektivwechsel öffnet dich ebenfalls für eine Betrachtung von außen.

Erfolgsversprechender für unsere Kommunikation, besonders in potentiellen Konfliktsituationen, ist die Hinterfragung des Grundes (Bedürfnis), warum verhält sich jemand so, wie er es gerade tut?

Meist gehen wir davon aus, dass andere Menschen Sachen unternehmen, um uns zu ärgern. Doch das ist sehr selten der Fall. Als „Giraffe“ (Person, die gerade in der Haltung der gewaltfreien Kommunikation unterwegs ist) glauben wir, dass wir alle immer nur Dinge tun, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen und dabei eine gute Absicht für uns selbst hegen.

Gewaltfreie Kommunikation im Gespräch

Gehst du in das Gespräch, fange damit an, deinem Gegenüber die Chance zu geben, die Situation erst aus seiner Sicht darzulegen. Dazu ist Empathie, also Einfühlungsvermögen, hilfreich, denn so kannst du erkennen, was in deinem Gesprächspartner vor sich geht.

Als Einstieg sprichst du über deine Beobachtung, damit der andere erstmal weiß, um welche konkrete Situation es dir eigentlich geht.

Start Fremdeinfühlung

Ich: Hannes, ich möchte gern mit dir über die Flyer reden. Du sagtest ja, ich bekomme sie zu Mittwoch und nun ist Donnerstag und bisher habe ich die Flyervorlage nicht in meinem Emaileingang.

Hannes: Hm, hab ich das gesagt. Ja, könnte sein.

Ich: Ja, das sagtest du zu mir und ich habe fest damit gerechnet, weil ich die Flyer für ein Event brauche.

Hannes: Okay.

Ich: Wie kam es denn dazu?

Hannes: Naja, ich hatte echt viel zu tun und irgendwie hab ich das nicht mehr geschafft.

Ich: Also warst du im Stress?

Hannes: Ja, stressig war es definitiv.

Ich: Hm, kann ich verstehen. Waren es jetzt einfach zu viele Aufgaben auf einmal?

Hannes: Ja, da kamen noch mehrere Sachen hinzu, nachdem ich dir den Termin zugesagt hatte.

Ich: Das kenne ich auch gut. Das kann echt nervig und überlastend sein.

Hannes: Ja, definitiv.

Das war der Schritt Gefühle erfahren vom anderen.

Ich: Was hätte besser laufen können?

Hannes: Naja, ich hätte mehr Zeit gebraucht und vielleicht auch mehr Übersicht, was ich wann genau machen muss.

Ich: Verstehe, das hätte dir mehr Klarheit verschafft.

Hannes: Ja, klar.

Ich: Hätte ich irgendwas tun können?

Hannes: Ne, ich hätte einfach bei dir nachfragen müssen.

Ich: Hättest du vielleicht die Sicherheit gebraucht, dass du mich da ganz offen ansprechen kannst, wenn sich Lieferzeiten ändern?

Hannes: Ja, das wäre schon auch hilfreich gewesen, glaub ich.

Das war der Schritt Bedürfnisse erfahren vom anderen.

Ich: Um was hättest du mich denn konkret bitten können?

Hannes: Naja, dass du mir ein paar Tage mehr Zeit gibst, damit ich dann auch den Flyer so machen kann, das er meinem Anspruch entspricht.

Ich: Ah, okay… Also ging es dir auch um Qualität, die du unter dem Zeitdruck nicht bringen konntest?

Hannes: Hm, stimmt.

Das war der Schritt Bitte erfahren vom anderen.

Selbstmitteilung

Nachdem ich nun weiß, wie es dem anderen ging und er sich durch mich verstanden fühlt, kann ich nun mit der Selbstmitteilung anfangen. Vorher hätte er mir wahrscheinlich nicht offen und emphatisch zuhören können, da er selbst noch keine Klarheit hatte.

Ich: Ich kann das alles ganz gut nachvollziehen. Und bei mir war es so, dass ich verwundert und ärgerlich war. Ich hätte mir Informationen gewünscht, zu wann ich mit dem Flyer rechnen kann und natürlich auch die Zuverlässigkeit, dass ich die Flyer auch habe, wenn ich sie brauche.

Hannes: Verstehe ich.

Ich: Nun weiß ich ja, woran es gelegen hat, dass ich die Unterlagen noch nicht habe. Zu wann kannst du mir denn  die Flyer fertig machen?

Hannes: Also ich kann dir fest zusagen, dass du die Flyer am Montag hast. Ist das für dich in Ordnung?

Ich: Hm, eigentlich ist das recht spät. Ich brauche die Flyer bald und ich muss die noch in den Druck geben und auch liefern lassen.

Hannes: Ja, da hast du Recht. Und was ist, wenn ich die Kosten für die Expresslieferung übernehme als Ausgleich für die Verspätung und dir die Flyer abhole und dann auch vorbei bringe?

Ich: Wow, das wäre klasse!

Läuft das immer so?

Das war mal ein Beispiel zur Veranschaulichung. Natürlich wirst du je nach Situation und Beziehung zu der anderen Person Unterschiedliches fragen oder sagen. Je nach Persönlichkeitstyp reagiert auch dein Gegenüber auf dich und hat vielleicht auch weniger Verständnis.

Auch ist die GFK nicht so zu verstehen, dass du immer die vier Schritte anwenden sollst und musst. Du musst NICHT immer die vier Schritte verwenden und auch nicht immer in der Reihenfolge.

Mir ging es eher darum, dir zu zeigen, wie es genau funktioniert, wenn du es anwenden möchtest. Bitte verstehe das nicht als starres Konstrukt, an das du dich immer halten musst. Das wäre dann auch nicht mehr gewaltfrei, sondern mit ganz viel Druck verbunden.

Die Fremdeinfühlung ist auch in anderen Situationen hilfreich

Du kannst diese Fremdeinfühlung übrigens nicht nur nutzen, wenn du unangenehme Gefühle und unerfüllte Bedürfnisse hast, sondern kannst dies auch tun, wenn sich eine andere Person gerade über dich oder eine dritte Person „ärgert“.

So kannst du ihm helfen, zu erkunden, um was es ihm eigentlich gerade geht. Das wird dein Gegenüber erstmals irritieren, denn wir sind es ja eher gewohnt, dass wenn wir „schreien“, der andere sich verteidigt oder zurück „schreit“.

Zu hinterfragen, was man jetzt vielleicht tun könnte, um zu helfen, wird erstmals überraschen. Wenn du das aber voll und ganz ehrlich machst, es nicht nur als Methode und mechanisch anwendest, spürt dein Gesprächspartner das.

Fazit zur Anwendung der gewaltfreien Kommunikation im Gespräch

Feedback geben ist elementar für uns als Führungskraft und die Weiterentwicklung unseres Teams. Menschen brauchen Klarheit und wollen wissen, wo sie stehen. Anerkennung und Wertschätzung wünschen sich die meisten. Durch zeitnahe Rückmeldungen und aktives Zuhören kannst du deine Mitarbeitenden abholen und sie motivieren.

Hole dir im Gespräch auch die Sichtweise des anderen und sage erst anschließend, wie du das Ganze wahrgenommen hast. Gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, macht mehr Spaß und erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Umsetzung kommt.

Alles Liebe

deine Susanne

Lust auf mehr zum Thema?

Beobachtung

Gefühle besser verstehen

Bedürfnisse berücksichtigen

Selbstfürsorge- was ist das?

Kommunikation und Persönlichkeitstypen

Stressfreie Kommunikation -Konflikten vorbeugen

Aktiv zuhören

Workshop Vorwürfen souverän begegnen

Buch Superkräfte für Führungskräfte- gewaltfreie Kommunikation im Beruf

Hier kannst du dir den Blogartikel auch anhören

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner