Hier geht es zum Seminar Gespräche gekonnt steuern können, statt zuzusehen, wie sie außer Kontrolle geraten
Wie objektiv bist Du in Mitarbeitergesprächen?
überarbeitet im Februar 2022
Fehlbeurteilungen bei Führungskräften Part II
Kennst Du das auch, Du führst Mitarbeitergespräche und wunderst Dich im Nachhinein, warum du eigentlich so streng warst? Oder Du weißt zwar nicht warum, aber dieser eine Mitarbeiter scheint alles richtig zu machen. Immer.
Im letzten Artikel ging ich bereits auf die sieben häufigsten Beurteilungsfehler von Führungskräften ein. Mit diesem Thema möchte ich Dich sensibilisieren für die Bewertungen, die wir im Berufsleben treffen. Das hat besonders dann Gewicht, wenn Du jemanden einstellen willst oder auch, wenn Du Mitarbeitergespräche führst. Das heißt natürlich nicht, dass andere Menschen diese Beurteilungsfehler nicht machen.
In diesem Kontext hat es jedoch andere Folgen, so wird der falsche Kandidat eingestellt oder der sehr kompetente Mitarbeiter verprellt. Herrscht dann auch noch Fachkräftemangel, ist das besonders ärgerlich.
So möchte ich Dich im Folgenden auf weitere Beurteilungsfehler aufmerksam machen, damit Du die Möglichkeit hast, vor Gesprächen zu reflektieren, auf welcher Grundlage Du den anderen bewerten wirst.
Fehlbeurteilungen: Tendenz zur Milde
Bist Du noch ungeübt in Mitarbeitergesprächen und den entsprechenden Beurteilungen, kann es sein, dass Du eher sehr vorsichtig vorgehst. So bewertest Du Dein Gegenüber tendenziell eher zu gut. Das kann daran liegen, dass Dein Anspruchsniveau zu gering ist oder auch, weil Du den anderen magst. Wie im letzten Artikel beschrieben, bewerten wir Menschen, die uns sympathisch sind, eher positiv und übersehen Schwächen.
Vielleicht fehlt Dir der Mut, weil Du befürchtest, Dich nach der schlechten Beurteilung rechtfertigen zu müssen. Ursache für die Tendenz zur Milde kann ebenfalls sein, dass Du den Bewerber oder Mitarbeiter nicht verletzen oder demotivieren willst.
Das ist sehr löblich, doch nicht angebracht, wenn die Leistung nicht wirtlich positiv ist. Du nimmst dem anderen damit auch die Chance zu wachsen, besser zu werden und sich zu verändern.
Zusätzlich unterstützt Du gegebenenfalls damit sogar ein verzerrtes Selbstbild. Was meine ich damit? Manche Menschen überschätzen sich und ihre Fähigkeiten oft, wenn dann noch zu milde beurteilt wird, bleibt diese zu gute Selbsteinschätzung erhalten.
Fehlbeurteilungen: Tendenz zur Strenge
Natürlich funktioniert das umgekehrt auch. Wenn Du jemanden nicht magst, aus welchen Gründen auch immer, wirst Du strenger beurteilen. Zu strenge Beurteilungen können zusätzlich daran liegen, dass Du selbst ein zu hohes Anspruchsniveau hast, dass Du nicht nur an Dich selbst, sondern auch an andere stellst.
Vielleicht bist Du auch einfach nur zu ehrgeizig in Deiner Rolle als Beurteiler und möchtest den anderen zu Höchstleistungen anspornen. Das kann ich nachvollziehen, doch auch das sollte den Leistungen entsprechen. Wichtig ist nämlich auch, dass Du auf die Persönlichkeit der Person achtest, die vor Dir sitzt.
Fehlbeurteilungen: Tendenz zur Mitte
Die Tendenz zur Mitte kann daran liegen, dass nicht genügend Informationen über den zu Beurteilenden vorliegen.
Manche unerfahrene Manager sind eher vorsichtig, wollen nicht zu gut und nicht zu schlecht beurteilen und nehmen so immer die Mitte auf der Skala. So kann es keine zu positiven oder zu negativen Urteile geben.
Schön und gut, aber ist das realistisch? Sehr gute Mitarbeiter bekommen dadurch zu schlechte Werte und können demotiviert werden, während die zu positiv Bewerteten sich dann ausruhen und sich keine Mühe geben, sich zu verbessern. Beides ist für das Unternehmen und die Zusammenarbeit mit der Führungskraft eher schwierig.
Fehlbeurteilungen: Kleber-Effekt
Manche Mitarbeiter sind sich durchaus bewusst, wenn demnächst Mitarbeitergespräche anstehen. So bemühen sie sich die Wochen davor besonders sehr und strengen sich mehr an. Das kann funktionieren, wenn der Beurteiler dem Kleber-Effekt auf den Leim geht. Bei diesem Beurteilungsfehler wird die Leistung von Mitarbeitern überschätzt, die kurz vorher besonders positiv auffielen. Das kann auch durch eine Beförderung passieren.
Dieser Kleber-Effekt bezieht sich jedoch nicht nur auf kurzfristige Attribute. Wurde ein Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum nicht mehr befördert, „klebt“ dieser fehlende Aufstieg ebenfalls an ihm und kann zu negativen Beurteilungen führen, die nicht gerechtfertigt sind. Schließlich gibt es viele Gründe, warum ein Mitarbeiter nicht befördert wird, das muss nicht gezwungenermaßen an schlechter Leistung liegen.
Auswirkungen der Fehlbeurteilungen
Die fehlende Objektivität und die Ungerechtigkeit bei den Beurteilungen trüben die Stimmung und einzelne Mitarbeiter werden damit zur inneren Kündigung getrieben. „Da macht man alles, was man soll, bleibt länger und ist proaktiv und dennoch bekommt man nur ein „gut“. Was soll ich denn noch machen?“ Das können die Gedanken sein, wenn der Mitarbeiter nicht die positive Bewertung bekommt, die ihm zusteht.
Wie bereits im letzten Artikel geschrieben, sind wir alle nur Menschen mit Gefühlen und Meinungen und so wird eine komplett objektive Beurteilung schwer. Doch durch viel Reflektion und Übung kannst Du diese Fehlbeurteilungen minimieren.
Alles Liebe
deine Susanne
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Danke für die interessanten Hinweise, einiges ist auch für mich als „alten Hasen“ neu. Ich habe mir seit ein paar Jahren angewöhnt, ein kleines (privates!!) Notizbuch zu führen, und meine Beobachtungen während des Jahres – sowohl positiv als auch neagtiv – stichpunktartig festzuhalten und zu bewerten. Das Buch nehme ich mir vor den Gesprächen dann jeweils vor und werte es aus. Es ist eine nützliche Hilfe und lenkt von so manchen Zufallstreffern ab.
Hallo Herr Merl,
wunderbar, danke für den nützlichen Tipp, das macht dann die Gepräche ja auch einfacher. Sprechen Sie die Dinge, die Sie da notieren auch an, wenn Sie diese bemerken?
Herzliche Grüße
Susanne
Danke für diesen Artikel mit Denkanstössen b
Gern!