Führung in agilen Teams

ein Gastartikel von Hans-Christian Pahlig

Immer mehr wird über agile Teams, Servant Leader und die VUCA-Welt berichtet. Doch was verbirgt sich eigentlich dahinter?

Das bedeutet „Agile“

Agile Methoden kommen ursprünglich aus der Softwareentwicklung, haben sich aber mittlerweile in vielen Bereichen des Geschäftslebens bewährt.

Agiles Arbeiten ist eine Reaktion auf die „VUCA“-Welt.

  • V steht für „volatile“, übersetzbar mit unbeständig
  • U steht für „uncertain“, also unsicher
  • C steht für „chaotic“, chaotisch
  • A steht für „ambiguous“, mehr- oder vieldeutig

Für viele von uns ist VUCA „das neue Normal“. Sicherheiten, die es früher gab, sind verschwunden und durch Uneindeutigkeit und Unsicherheit ersetzt. Agilität steht also nicht für Schnelligkeit. Agilität ist die Fähigkeit, sich ständig verändernden Rahmenbedingungen anpassen zu können.

Kanban und Scrum sind zwei weit verbreitete Methoden der agilen Arbeit. Kanban hat wenig vorgegebene Strukturen. Ziel von Kanban ist die Optimierung von Wertschöpfungsketten. Scrum ist ein Framework, in dem ein Team auf Basis von Iterationen regelmäßig verbesserte Produktversionen abliefert. Scrum definiert feste Rollen und Meetings.

Agiles Arbeiten beruht auf Prinzipien, die auch im Kontext von Führung in agilen Teams bedeutsam sind. Welche Prinzipien das sind, und wie sie das Bild des agilen Teams prägen, liest du im nächsten Abschnitt.

Das Idealbild des Agilen Teams

Das Idealbild des agilen Teams ist eine kleine, motivierte Gruppe von Menschen, die gemeinsam an einer Vision und einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Jedes Teammitglied leistet einen aktiven Beitrag zum gemeinsamen Ziel.

  • Beobachten und anpassen – Die Zusammenarbeit im Team und die erreichten Arbeitsergebnisse werden regelmäßig analysiert und optimiert.
  • Experimentieren – Das Team probiert regelmäßig kleine Veränderungen in der Arbeitsweise aus. Bewähren sich die Änderungen, werden sie beibehalten. Offenheit für Experimente ist ein grundlegendes Mindset. Es wird nicht zum Selbstzweck experimentiert.
  • Transparenz – Jeder im Team weiß jederzeit, woran alle anderen arbeiten.
  • Ziele und Commitments – Ein agiles Team setzt sich gemeinsam verbindliche Ziele. Ob die Ziele erreicht werden, wird regelmäßig gemeinsam analysiert.
  • Selbstorganisation und Autonomie des Teams – Das Team umfasst alle Experten, die notwendig sind, um die Ziele zu erreichen. Das Team organisiert eigenständig, wie die Arbeit innerhalb des Teams verteilt wird.
  • Permanente Verbesserung – Agile Teams streben danach, den Wert ihres Produktes aus Nutzersicht permanent zu erhöhen oder die Wertschöpfungskette permanent zu verbessern. Im Nebeneffekt führt das dazu, dass Agile Teams ihr Wissen ständig erweitern und die Zusammenarbeit verbessern wollen.

Führung in der agilen Welt

Das agile Team kennt keine Vorgesetzten-Rollen, wie es sie in Linienorganisationen gibt. Alle Teammitglieder sind auf Augenhöhe. Trotzdem brauchen diese Teams Führung, sowohl im Sinne von „Leadership“ als auch im Sinne von „Management“. Wenn die Führung bei der Etablierung des Teams noch nicht klar ist, bilden sich Führungsstrukturen oft von selbst.

Agile Teams sind in aller Regel Teil von Organisationen, in denen es durchaus klassische Führungskräfte gibt. Häufig sind auch die Teammitglieder in einer Matrix organisiert, in der sie dann an die Führungskräfte der Matrix berichten.

In diesem Artikel geht es um die Führung innerhalb des Teams. Die Zusammenarbeit mit Menschen außerhalb des Teams, das Stakeholder Management, ist Inhalt eines anderen Beitrags.

Servant Leadership als soziale Kompetenz

Leadership in einem agilen Team hat einen starken Fokus auf soziale Kompetenz zusätzlich zur Fachkompetenz und Methodenkompetenz. Ein guter Leader in einem agilen Team ist jemand, der das Team durch sein Verhalten dazu motiviert, die gemeinsam vereinbarten Ziele zu erreichen.

Die Führungsphilosophie des Servant Leadership sieht Führung als Dienstleistung am Geführten. Ein Gegensatz dazu ist die beherrschende Führung. Ein Servant Leader ist Teil des Teams, steht nicht außerhalb. Dazu gehört es, Hindernisse zu erkennen und aus dem Weg zu räumen, um den Team-Flow aufrechtzuerhalten.

Die Definition von Team-Standards  wie der „Definition of Done“ (Wann ist eine Aufgabe wirklich fertig?) oder „Definition of Ready“ (Wann haben wir eine Aufgabe gut genug verstanden?) stellt sicher, dass alle Teammitglieder wissen, was von ihnen erwartet wird. Der Servant Leader erinnert das Team regelmäßig daran, diese gemeinsam vereinbarten Standards einzuhalten und bei Bedarf anzupassen.

Der Servant Leader sollte nicht den höchsten Redeanteil in der Teamkommunikation haben, sondern durch aktive Zurückhaltung das Selbstmanagement des Teams fördern. Es ist schwierig, 30 Sekunden oder eine Minute Stille auszuhalten, aber es lohnt sich. Erfahrungsgemäß findet sich immer jemand, der die Kommunikation konstruktiv weiter treibt. Der Servant Leader hat eine moderierende Rolle und achtet darauf, dass die Kommunikation konstruktiv und zielführend ist und alle Teammitglieder sich einbringen können.

Experimentierfreude zur Verbesserung der Zusammenarbeit ist Kern der agilen Arbeit. Die besten Ideen für mögliche Veränderungen kommen von den Teammitgliedern. Hier gilt es, die Vorschläge aufzunehmen, zur Diskussion zu stellen und einen Beschluss des Teams über die Umsetzung herbeizuführen.

Strukturelle Veränderungen in einem Team können die Zusammenarbeit verbessern oder verschlechtern. Eine wertvolle Unterstützung des Teams durch einen Agile Leader ist, Veränderungen nachzuhalten und im Team die Diskussion über positive oder negative Effekte der Veränderung anzustoßen.

Individualkompetenzen nicht im Fokus

Das Agile Manifest, geschrieben 2001, fasst vier Leitsätze der agilen Softwareentwicklung zusammen. Einer der Leitsätze ist „Individuen und Interaktionen sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge“.

Trotzdem enthalten die klassischen agilen Frameworks wenig bis keine Hinweise zur Entwicklung von Individualkompetenzen. Individualkompetenzen oder Selbstkompetenzen sind persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen wie zum Beispiel Ausdauer, Belastbarkeit, Kreativität, Fähigkeit zum Zeitmanagement, Selbstständigkeit, Zuverlässigkeit.

Agile Frameworks setzen voraus, dass diese Eigenschaften bei jedem einzelnen Teammitglieder so ausgeprägt sind, dass sie die Ziele des Teams unterstützen oder zumindest nicht behindern. Man kann sogar sagen, dass Scrum und Kanban die Teamdynamik nutzen, um Individualkompetenzen zielgerichtet zu verändern: Wenn ich als Teammitglied länger zur Erledigung meiner Aufgaben brauche als alle Anderen, stehe ich unter Druck, mich zu verändern.

Um diese Situationen zu erkennen und mit ihnen umzugehen, braucht es Führungskompetenz, insbesondere soziale Kompetenz, außerhalb des agilen Kontext.

Fazit

Die so genannte „VUCA“-Welt ist für viele von uns „das neue Normal“. Die Reaktion auf „VUCA“ ist Agilität. Agile Teams sind kleine Gruppen von Menschen, die an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Jedes Teammitglied leistet einen aktiven Beitrag zum gemeinsamen Ziel.

Führung in der agilen Welt hat einen starken Fokus auf soziale Kompetenz, zusätzlich zu Fachkompetenz und Methodenkompetenz. Ein guter Agile Leader motiviert das Team durch sein Verhalten, die gemeinsam vereinbarten Ziele zu erreichen. Agile Leader sind eher Coaches. Individualkompetenzen sind nicht Inhalt von agilen Frameworks. Ihre Entwicklung für jedes einzelne Teammitglied braucht über Agilität hinausgehende soziale Führungskompetenz.

P.S.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie über agile Arbeit. Ein weiterer Artikel im triplecore-Blog beschäftigt sich mit Führungsrollen in agilen Teams und mit „Tauschgeschäft“, das agile Arbeit darstellt.

Über Hans-Christian Pahlig

Seit über zwanzig Jahren habe ich Führungsverantwortung in der IT, vom Startup bis zum Großkonzern. In den letzten zehn Jahren lag mein Fokus darauf, agile Transformationen in Unternehmen voranzutreiben, Agile Teams aufzubauen und erfolgreich zu machen. Meine schönste Herausforderung ist es, Teams dabei zu unterstützen, autonomer und selbstorganisierter zu werden und so ihre Ziele zu erreichen. Ich spreche die Sprachen der IT und der Wirtschaft und kenne die täglichen Herausforderungen auf beiden Seiten. Ich bin idealistisch in Bezug auf Geschäftserfolg, agile Werte und saubere IT-Architektur. Ich bin pragmatisch und transparent in der Umsetzung. Ich habe die Unternehmen triplecore und 8Buddy gegründet und führe sie gemeinsam mit meinen beiden Co-Gesellschafterinnen.
Vernetze dich gerne mit mir auf LinkedIn unter linkedin.com/in/hcpahlig/

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Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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