Kritik wertschätzend äußern? Geht das? Machst du dir auch oft Gedanken, ob du eine Kritik anbringen solltest oder nicht? Kommt es vor, dass du das unterlässt, weil dich das zu viel Zeit und Energie kostet? Das geht vielen so.

Tipps für wertschätzende Kritik

In meinen Seminaren höre ich von  Führungskräften immer wieder, dass sie sich nicht sicher dabei fühlen, schwierige Themen anzusprechen.

So kommt es recht häufig vor, dass scheinbare Lappalien oder auch größere Probleme nicht angesprochen werden. Dadurch kann sich die Wut richtig schön anstauen, da zu den Kleinigkeiten weitere Kleinigkeiten kommen, bis das Fass irgendwann überquillt und es zum Ausbruch kommt.

Von außen betrachtet wirkt diese Reaktion für die anderen völlig übertrieben und unangemessen.

Wie kannst du Kritik wertschätzend äußern?

Meine Empfehlung ist, dass du es gar nicht so weit kommen lässt. Schaue für dich, wie viel Energie es dich kostet, wenn du scheinbare Kleinigkeiten nicht ansprichst.

Denkst du mehr als einen Tag lang darüber nach, ist es für dich scheinbar nicht unwichtig. Ist das der Fall, solltest du es auf jeden Fall ansprechen.

Hierbei kommt es natürlich darauf an, wie du das machst. Du musst ja nicht hingehen und sagen, dass du es echt unverschämt findest, wenn jemand in die Küche geht, sich einen Kaffee holt und die anderen nicht fragt, ob sie auch einen möchten. Ja, das Beispiel habe ich mir nicht ausgedacht.

Von außen betrachtet könnte man das als unwichtig abtun. Doch für die Person war das nicht der Fall. Sie wünschte sich mehr Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft.

Kritik wertschätzend äußern: vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation anwenden

Verpacke das doch in die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation, die man anwendet, wenn man den anderen nicht stressen möchte, damit man Konflikte wertschätzend auflösen kann:

  1. Beobachtung
  2. Gefühl
  3. Bedürfnis
  4. Bitte

Dadurch hört der andere eher zu und man kann eine gemeinsame Lösung erarbeiten.

„Die letzten Tage bist du in die Küche gegangen, um dir einen Kaffee zu holen ohne zu fragen, ob einer der anderen aus dem Büro auch einen Kaffee haben möchte. Bisher hast du da nachgefragt. Das wundert mich und ich bin auch etwas frustriert, weil es mir echt wichtig ist, dass wir auch aufmerksam sind. Bitte frage mich doch beim nächsten Mal, ob ich auch einen Kaffee möchte.“

Versetze dich in den anderen

Bevor du das sagst, könntest du dich in den anderen hineinversetzen und überlegen, wie er das Ganze gesehen haben könnte. Das hilft dabei, im Gespräch die Kritik wertschätzend zu äußern. Dabei gehst du wieder die vier Schritte:

  1. Beobachtung
  2. Gefühl
  3. Bedürfnis
  4. Bitte

Er könnte folgende Sichtweise haben: „Ich gehe in die Küche und hole mir einen Kaffee. Ich bin nachdenklich und besorgt, weil ich gerade viel zu tun habe und das alles in guter Qualität abliefern möchte. Bitte lass mich meine Sachen in Ruhe machen.“

Austausch der vier Schritte im Gespräch – Kritik wertschätzend äußern

Mit dieser Vorarbeit bist du vielleicht nicht mehr frustriert und suchst nicht mehr das Gespräch, weil du nun eine Ahnung hast, was bei deinem Gegenüber los sein könnte. Natürlich ist das reine Spekulation. Du könntest auch das Gespräch suchen und einfach mit der Beobachtung starten:

„Mir ist aufgefallen, dass du die letzten Tage in die Küche gegangen bist, um dir einen Kaffee zu holen ohne zu fragen, ob einer der anderen aus dem Büro auch einen Kaffee haben möchte. Bisher hast du da nachgefragt. Wie geht es dir eigentlich zurzeit?“ Oder nur „Wie geht es dir eigentlich zurzeit?“ zu fragen, ist ebenfalls eine Möglichkeit.

Nun würdest du dem anderen zuhören. Du würdest über deine Fragen herausfinden, was sein Gefühl, sein Bedürfnis und seine Bitte ist. Anschließend würdest du aber auch loswerden, wie es dir damit ging. So könnt ihr euch austauschen und erfahren, was bei beiden los ist, ohne sofort verbal verletzend zu werden.

Ein weiteres Beispiel

Es muss ja nicht immer eine Kleinigkeit sein. Oft sind es ja auch Probleme, wie, dass du als Führungskraft immer wieder die gleichen Regeln erklärst, und diese doch nicht eingehalten werden. Das kann etwas so Selbstverständliches sein wie Zuverlässigkeit.

Oft kommt der Gedanke, der andere mache das mit Absicht und will dich nur ärgern. Das ist in den seltensten Fällen zutreffend. Deine Haltung dem anderen gegenüber spielt hier eine große Rolle. Bist du sauer, kannst du nicht klar denken. Hier helfen wieder die vier Schritte:

Beobachtung: Du bist in der letzten Woche zwei Mal später zur Arbeit erschienen.

Gefühl: Ich bin sauer,

Bedürfnis: weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist.

Bitte erkläre mir, wie es dazu gekommen ist.

So bekommst du Klarheit und Information zu den Hintergründen.

Auch hier kannst du dich nun in den anderen versetzen:

Dein Mitarbeiter, nennen wir ihn Thomas: „Ich bin in der letzten Woche zwei Mal eine halbe Stunde später zur Arbeit erschienen. Zurzeit bin ich total übermüdet und überfordert, weil mir Schlaf und Unterstützung fehlen. Bitte lass uns über meine Arbeitszeiten reden.“

Auch hier liegt wieder eine reine Spekulation vor, die du mit der Realität abgleichst, wenn du das Gespräch suchst.

Diese Methode dient der Konfliktprävention und -aufklärung auf eine klare und wertschätzende Art. Funktionieren wird sie jedoch nur, wenn du mit wirklichem Interesse an dem anderen und Neugier das Gespräch suchst.

Denkst du, der andere macht schon wieder alles falsch und müsste bestraft werden, wird er das im Gespräch auch spüren und sich verschließen.

Soll ich die ganze Arbeit allein leisten?

Bitte denke jetzt nicht, dass du hier die ganze Arbeit machen sollst. Du kannst schon auch erwarten, dass dein Gegenüber dir auch entgegenkommt.

Ist das nicht der Fall und du hast dem anderen bereits seine Chancen gegeben, musst du auch Konsequenzen ziehen. Das muss nicht unbedingt sein, weil dein Mitarbeiter zu spät kommt. Denk auch bitte daran, was das Fehlverhalten einer einzelnen Person mit dem gesamten Team macht.

Das wird oft demotiviert und wünscht sich Gerechtigkeit. Das ist besonders dann zutreffend, wenn es um unterschiedliche Regeln geht in Hinblick auf die Arbeitszeit oder auch die Akzeptanz von Fehlern.

Unbeteiligte Kritik am Verhalten anderer

Oft bezieht sich die Kritik auf ein Verhalten anderer in Bezug auf dich. Manchmal regen wir uns aber auf, weil jemand sich aus unserer Sicht falsch verhalten hat in Bezug auf andere.

Sollte das dein Problem sein? Verstehe mich nicht falsch! Ich finde es gut und richtig, wenn man sich auch für andere einsetzt. Das sollte aber nicht in die Richtung gehen, dass du Probleme bei anderen siehst, die keine sind.

So ist es mir passiert, dass ich bei einer Business-Veranstaltung war und dort bei einer Session eine Frau erlebte, die aus meiner Sicht übergriffig und sehr aggressiv auf einen der Anwesenden einredete. Er wollte Ideen und Ratschläge für seine Businessideen und diese Dame war für mich viel zu dominant. Naja, ich ließ es geschehen und machte mir meine Gedanken.

Anschließend sprach ich den Herrn an, der meiner Meinung nach gestresst wurde. Er meinte, für ihn wäre es okay gewesen, auch wenn es recht hart war. Glücklicherweise hatte ich mich nicht eingemischt und mich zurückgenommen.

Worum es mir geht: ob du dich für andere einsetzen musst oder nicht, würde ich bei den entsprechenden Personen erfragen. So bist du auf der sicheren Seite, ob das gewollt oder als grenzüberschreitend angesehen wird.

Schließlich haben wir besonders als Führungskraft auch die Aufgabe, andere zu schützen und dafür zu sorgen, dass auf eine wertschätzende Art miteinander geredet und umgegangen wird.

Unterschiedliche Wahrnehmung

In letzter Zeit fand ich es spannend, dass Leute aus dem Businessumfeld auf mich zukamen und sich für ein Verhalten ihrerseits entschuldigten, wo ich keinen Grund dazu sah.

Es schien ihnen wirklich wichtig zu sein, klarzustellen, dass sie mit ihren Bemerkungen oder ihrem Verhalten mich nicht ärgern wollten. Das fand ich einerseits schön und andererseits machte es mich nachdenklich.

Es ist schon spannend, wie unterschiedlich die Wahrnehmung ist für das, was von anderen als Fehlverhalten gedeutet werden könnte. Oder es liegt daran, dass man mir unterstellt, dass ich auf bestimmte Äußerungen sensibler reagiere, da ich mich auf die gewaltfreie Kommunikation spezialisiert habe ;).

Zum Schluss

Egal um was es genau geht, versuche, erstmal objektiv und sachlich in das Gespräch einzusteigen.

Gib deinem Gegenüber die Chance, seine eigene Sicht der Dinge zu äußern und mache auch bei deiner Kritik deutlich, dass du nicht die ganze Person, sondern nur einen Teil ihres Verhaltens kritisierst.

Die meisten Menschen können das nämlich schlecht voneinander trennen und sind schnell dadurch gestresst.

Alles Liebe

deine Susanne

P.S.: Hol dir hier meine Gefühlsliste für mehr Klarheit!

P.P.S.: Der Wolf und die Giraffe auf dem Bild mit mir symbolisieren in der gewaltfreien Kommunikation die gewaltvolle und gewaltfreie Kommunikation.

Hier bekommst du mehr Input

Buch Superkräfte für Führungskräfte – gewaltfreie Kommunikation im Beruf

Kritik wertschätzend äußern

Gewaltfreie Kommunikation im Gespräch

Aktiv zuhören

zu den Kursen

Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation

Hier kannst du dir den Blogartikel auch anhören

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

2 Kommentare

  1. Sehr geehrte Frau Lorenz,

    ich habe von Anfang zu wenig Rückgrat bewiesen – auf die Äußerung einer neuen Kollegin entsprechend mich zu äußern: Als Ehrenamtliche war ich neu, noch außen vor. Dennoch konnte ich über ihren Satz nur staunen: O-Ton: sie müsse nicht arbeiten, ihr Mann verdiene genug Geld, ihr gehe es um den Spaß an den Kindern (bis Mitte März war ich als pädagogische Mitarbeiterin in der Kernzeit einer GS tätig) Sie brauche auch keine Aufgabe (Die Person ist 52) bereits am zweiten Tag hörte ich das von ihr. Dies war ihre Antwort auf mein: Wir alle freuen uns auf eine Aufgabe, sie bestärkt uns….) Ich habe verzichtet sie zu fragen ob ihre Haltung auch den anderen Kollegen bekannt ist. Was von solch einem Verhalten zu halten? Ich habe dort aufgehört, da mein Herz mir deutlich sagte: hier wirst du zu häufig Kompromisse eingehen – das wird dich auf die Bretter werfen – und ich habe auf mein Herz gehört und tatsächlich – von einer Mitarbeiterin die ich hin und wieder treffe höre ich, wie störend das Verhalten dieser Kollegin ist – doch ich bin der Ansicht es helfen keine Seminare über gewaltfreie Kommunikation wenn die innere Bereitschaft der Selbstreflexion fehlt und somit auch das Bewusstsein dass dieses Verhalten
    im Team Missstimmung heraufbeschwört. Die innere Haltung ist es, die Verändern im eigenen Verhalten verändern kann.
    Über ein Feedback freue ich mich von Herzen.
    Mit herzlichen Grüßen
    Dagmar Collinet

    • Liebe Dagmar, danke dir für deinen Kommentar. Ja, die innere Haltung ist ganz wichtig. Wenn die andere Person nicht bereit ist, ihr Verhalten zu ändern, ist es wichtig, dass wir schauen, wie wir damit umgehen.

      Beim Mindset der gewaltfreien Kommunikation ist es so, dass wir der Kollegin nun nicht unterstellen, sie macht es extra, um zu ärgern oder ähnliches. Sie sieht an ihrer Einstellung nichts Schlimmes. Wenn natürlich nicht gesagt wird, wie das wirkt und wie die Konsequenzen sind, wird sie es auch nicht erfahren, wie es für andere ist. Das muss aber jeder für sich entscheiden, ob und wie er das anspricht.

      Gut, dass du auf dein Bauchgefühl gehört hast!

      Liebe Grüße
      Susanne

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