Über böse Absichten und Unterstellungen

Regst du dich öfter über andere auf, weil du denkst, „Die machen das doch absichtlich, nur um mich zu ärgern!“? Dann hab ich hier ein paar Tipps für dich, damit du dich weniger ärgerst.

Böse Absichten hinterfragen

Neulich gab ich ein Coaching und mein Coachee dachte, dass ihr Chef ihr nicht vertraut und ihr schaden will. Warum dachte sie das? Weil er sie bestimmte Dinge nicht so machen ließ, wie sie es sich nun mal wünschte. Das müsste doch daran liegen, dass er böse Absichten hegte und ihr nicht vertraut. Ihr Chef müsste doch schließlich wissen, dass sie fähig genug ist, um diese Sachen gut genug zu erledigen. So fragte ich sie, ob sie sich sicher sein kann, dass er ihr was Böses will. Nein, sicher sein kann sie sich nicht, doch es fühlt sich halt für sie so an.  Und kann sie sich sicher sein, dass er ihr nicht vertraut? Nein, ganz sicher sein konnte sie sich auch dabei nicht.

Also überlegten wir gemeinsam und spekulierten bewusst, was es sonst sein könnte, wenn er keine böse Absicht hegt und ihr vertraut.

  • Könnte es sein, dass da noch etwas anderes hinter seinem Verhalten stecken könnte?
  • Was könnte sein Motiv, also sein Bedürfnis sein, das er sich erfüllen wollte?
  • Könnte es sein, dass es ihm um Sicherheit geht? Da er doch die volle Verantwortung für das Ergebnis trägt?

Ja, das könnte zutreffen. Wir sind hier also nicht die kompletten vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation durchgegangen (siehe Linkliste). Wir haben uns also nicht komplett ihre Beobachtung angeschaut. Wir sind auch die Schritte zwei bis vier nicht gegangen (Gefühl, Bedürfnis und Bitte). Und wir haben nicht, wie eigentlich gedacht, zuerst die vier Schritte aus ihrer Sicht betrachtet, damit sie sich in sich selbst einfühlt. Und dennoch war ihre Wut aufgelöst und wir konnten uns einem anderen Thema zuwenden. Vielleicht, weil ihre Wut und ihr Ärger nicht so stark ausgeprägt waren? Vielleicht.

Freiere Anwendung der gewaltfreien Kommunikation (GFK)

Was ich sagen möchte ist, dass ich ein großer Fan bin von der gewaltfreien Kommunikation und dass man sie zu verschiedenen Anlässen einsetzen kann. Und dennoch gibt es auch andere Methoden und auch Freiheiten, was die Anwendung angeht. Ja, jeder der vier Schritte hat einen Sinn und Zweck und die Reihenfolge macht auch Sinn.

Aber es darf nicht verstanden werden als theoretisches Konstrukt. Schließlich geht es um Menschen und ihre Gefühle. Da sind Sensibilität und Feinfühligkeit wichtig. Manchmal ist es nicht nötig, den ganzen Ablauf einzuhalten. Doch ob das der Fall ist oder nicht, kann man nicht im Vorfeld wissen. Letztlich ist das abhängig von dir, deiner aktuellen emotionalen Lage, dem Thema und wie lange du schon den Konflikt hast.

Du weißt sicherlich auch, dass es Menschen gibt, die immer wieder etwas in uns auslösen. Diese Menschen haben es besonders gut drauf, unsere Knöpfe zu drücken und sie bringen uns schnell zum Ausrasten. Hier wirst du wahrscheinlich schon den kompletten Prozess der vier Schritte für dich und für den anderen brauchen, um dich zu beruhigen. Auch das Gespräch mit dem anderen ist dann meistens noch nötig, damit wir wieder runterkommen und uns wirklich gegenseitig besser verstehen.

Bewussterer Umgang mit Sprache und Meinungen

Es geht nicht nur um Konflikte, die gelöst oder präventiv verhindert werden sollen. Es geht nicht nur um Kommunikationsstörungen, die nun mal immer wieder auftauchen, weil wir nun mal so unterschiedlich sind. Weil wir alle unterschiedlich ticken. Nein, es geht darum, immer wieder eine andere Perspektive einzunehmen und sich dafür zu sensibilisieren, dass wir nun mal sehr oft interpretieren.

Schließlich ist das der erste Schritt der GFK, die Interpretation von der Beobachtung zu trennen. Das machen wir auch, wenn wir unseren Ärger auflösen wollen. Selbst wenn ich nicht über Gefühle und Bedürfnisse (meine und die des anderen) nachdenken oder sprechen möchte, hilft es schon oft, sich auf die reinen Beobachtungen zu fokussieren. Ich möchte damit nicht sagen, dass du die Gefühle und Bedürfnisse außen vor lassen sollst. Nein, ich halte sie für sehr wichtig. Doch der Fokus auf das, was wir wirklich gesehen und gehört haben, gibt uns etwas Abstand und hilft uns in der Regel auch, unsere Gefühle etwas runterzufahren.

Absichtlich jemandem schaden?

Zusätzlich geht es darum, dass wir oft anderen Dinge unterstellen. Dazu ist auch die Beobachtung wichtig, denn hier schauen wir uns unsere Unterstellungen an und übersetzen sie in das, was wir wahrgenommen haben, wie eine Kamera, ohne Gefühle.

Wie oft fühlen wir uns schlecht, weil wir denken, dass jemand etwas absichtlich gemacht hat? Um uns zu schaden. Meist sind wir erst einmal überrascht, anschließend fühlen wir uns wütend, traurig oder hilflos. Das liegt aber an unseren Interpretationen. Das heißt also auch, dass wir unsere Gefühle steuern können, wenn wir uns bewusst machen, dass sie durch unsere Gedanken entstehen. Klar, das gilt nicht für alle Gefühle und wird auch nicht immer klappen. Doch wir haben es oft in unserer Hand, was wir denken, wenn wir uns dafür sensibilisieren.

Wir können zumindest statt Negatives zu unterstellen, davon ausgehen, dass die Möglichkeit besteht, dass dem anderen nicht bewusst war, was er in uns damit auslöst. Im Sinne der gewaltfreien Kommunikation unterstelle ich den Menschen, dass sie immer alles mit einer guten Absicht tun, nämlich, sich ihr Bedürfnis zu erfüllen. Die positive Absicht ist also in Bezug auf sie selbst und vielleicht von außen nicht immer verständlich und auch für die Mitmenschen nicht immer von Vorteil (siehe auch Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation).

Unsere Bedürfnisse steuern uns

Die wenigsten Menschen machen etwas, um gezielt einem anderen zu schaden. Es sind unsere Bedürfnisse, die uns steuern. Sind sie erfüllt, geht es uns gut. Sind sie nicht erfüllt, fühlen wir uns schlecht. Dann versuchen wir sie zu erfüllen.

Bedürfnisse sind an sich positiv, wie Zugehörigkeit, Zuverlässigkeit oder auch Nähe. Wenn man an Dinge wie Rache denkt, handelt es sich hier nicht um ein Bedürfnis. Es könnte aber eine Strategie sein, um Gerechtigkeit zu bekommen.

Also kann ich davon ausgehen, dass die meisten Menschen handeln, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Das kann natürlich dazu führen, dass etwas getan wird, das nicht die Bedürfnisse eines anderen Menschen erfüllt. Und schon unterstellen wir wieder böse Absichten, denn der andere hat eben nicht mitgedacht und hatte nicht auf dem Schirm, was das für uns für Konsequenzen hat. Da wir ja alle so unterschiedlich sind, kommen wir manchmal auch einfach nicht auf die Idee, dass das, was wir machen, für den anderen nicht nachvollziehbar ist.

Andere Perspektive einnehmen

Ich finde das sehr schade und freue mich immer wieder, wenn ich in Gesprächen Menschen dabei helfen kann, die Situation auch anders zu sehen. Aus einem anderen Blickwinkel. Ja, vielleicht mag das manchmal naiv sein, doch ich wiederhole mich: die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, auch wenn sie gering sein mag, dass der andere sich der Konsequenzen nicht bewusst war.

Auch bei Mobbing ist es nicht unbedingt so, dass bewusst gemobbt wird, um jemanden zu schaden. Im Fokus steht oft eher, sich selbst gut dastehen zu lassen. Beispielsweise, damit das Bedürfnis nach Zugehörigkeit erfüllt wird. Auch wenn das von der gemobbten Person nicht gesehen wird. Verstehe mich bitte richtig. Ich meine nur, dass auch Mobbing aus einem unerfüllten Bedürfnis entstehen kann. Mobbing ist schrecklich, das will ich nicht klein reden. Passiert Mobbing in deinem Team, finde ich es wichtig, dass mit allen Parteien gesprochen wird. Die gemobbte Person braucht definitiv Schutz und Unterstützung. Doch auch der Mobber oder die Mobberin braucht ein Gespräch, damit sich das nicht wiederholt.

Verstehen und verstanden werden

Auch darum geht es in der gewaltfreien Kommunikation- verstehen und verstanden werden. Verstehen heißt jedoch nicht, das Verhalten gut zu heißen. Nein, aber wenn man sich gegenseitig besser versteht und weiß, um was es geht, kann man gemeinsam nach einer anderen Strategie suchen.

Vielleicht denkst du das nächste Mal drüber nach, wenn du wütend bist, weil du meinst, jemand will dich bewusst ärgern. Was könnte hinter diesem Verhalten stecken? Dadurch entsteht eher die Neugierde, das auch in einem Gespräch herauszufinden. Solange wir denken, der andere macht es absichtlich, um uns etwas Übles anzutun, wollen wir den anderen eher bestrafen.

So hatte ich auch schon Situationen, in denen ich das Verhalten des anderen als negativ empfand, weil ich mich nicht so verhalten würde. Das passiert mir auch immer mal wieder mit Dienstleistern. Zum Beispiel ist es mir schon 2x passiert, dass ich einen Dienstleistungsvertrag gekündigt habe aufgrund zu vieler Fehler und danach noch eine Abschlussrechnung bekam. Bei beiden Firmen, die nichts miteinander zu tun hatten, wurden mir dann Posten berechnet, die ich bereits bezahlt hatte.

Jetzt könnte ich natürlich denken, dass sie das absichtlich gemacht haben. Doch das bringt mich gar nicht weiter. Ich werde dann nur sauer und ärgere mich unnötig. Bei der einen Firma ließ sich das nicht aufklären, bei der anderen lag es am System, das zwischenzeitlich geändert wurde. Habe ich trotzdem die Rechnung 2x bezahlt? Natürlich nicht. Ich konnte aber nachvollziehen, dass sich das keiner nochmal angeschaut hat, da davon ausgegangen wurde, dass das System das richtig erfasst hat.

Zusammengefasst

Wir ärgern uns oft über das Verhalten anderer Menschen. Schlimmer wird es meistens, weil wir eine böse Absicht unterstellen. Wenn du dich darauf fokussierst, dass da eine Bedürfniserfüllung dahinter steckt, wirst du dich weniger ärgern und offener für ein Gespräch.  Letztlich geht es bei der Aussprache darum dem Gesprächspartner zu zeigen, was sein Verhalten bei dir auslöst und gemeinsam nach einer Alternative zu suchen. Doch das ist nur ein Weg. Wenn du dazu noch nicht bereit bist, ist das auch vollkommen in Ordnung. Und wenn du erstmal den Ärger genießen willst, mach das.

Wünschst du dir Unterstützung für dich oder dein Team? Dann geht es hier zum job-begleitenden Programm, zu den internen Seminaren und zum Business Coaching. 

Alles Liebe

deine Susanne

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Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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