Wie sinnvoll sind Diskussionen?

überarbeitet im März 2022

Häufig treffen wir auf andere Menschen, sei es nun am Arbeitsplatz oder auch privat. Die haben nicht immer die gleiche Meinung wie man selbst und so kommt es oft zu Diskussionen oder gar Streit.

Ich habe Recht, oder?

Oft diskutieren wir über Dinge, von denen wir überzeugt sind, dass es nur eine richtige Sicht der Dinge gibt. Doch ist das wirklich der Fall?

Verschiedene Wirklichkeiten in Diskussionen

Ja, es gibt Themen, da gibt es ein „richtig“ oder ein „falsch“. Beispielsweise, wenn es um messbare Sachen geht. 100 cm sind ein Meter, wann gefriert Wasser zu Eis etc. Da hat dann tatsächlich einer Recht und der andere nicht. Das sind nach Paul Watzlawick Wirklichkeiten erster Ordnung. Also Fakten, die stimmen und für alle gelten.

Doch wie oft ist das der Fall?

In den meisten Gesprächen geht es um Wirklichkeiten zweiter Ordnung: um Werte, Meinungen. Diese sind von Natur aus unterschiedlich, weil man eben auch unterschiedliche Werte oder Meinungen hat und keine feste Basis, die auf Zahlen und Fakten basiert.

Klar, man kann hier diskutieren, sollte sich aber bewusst sein, dass beide Recht haben können.

Was bringt es, den anderen zu überzeugen?

Stell Dir vor, Du bist in einer Situation, wo Du den anderen überzeugen möchtest, obwohl klar ist, dass beide Meinungen richtig sein können. Was hat Dein Gesprächspartner davon, Deine Meinung zu übernehmen? Was bringt es ihm? Hat Deine Meinung für ihn keinen positiven Effekt, wird er den Teufel tun und Dir entgegen kommen.

Daran solltest Du also denken in Deiner Diskussion und dementsprechend argumentieren. Frag Dich auch, was bringt es Dir? Ist Dein Zeit- und Energieaufwand gerechtfertigt für das Diskutieren?

Woher weiß ich das?

Unsere Meinungen bilden wir uns im Laufe unseres Lebens aufgrund der Erfahrungen, die wir oder andere machen. Oder wir übernehmen sie von Leuten, die uns wichtig sind oder die wir als Experten wahrnehmen. Doch wie oft hinterfragst Du Deine Meinung?

Wenn Du in einem Streitgespräch bist, solltest Du nicht nur den anderen, sondern auch Dich selbst fragen, wie dieser Standpunkt für Deine Diskussion entstanden ist.

  • Woher weißt Du, dass alle Zeitarbeitsfirmen schlecht sind?
  • Woher weißt Du, dass alle Kunden Deine Arbeit nicht richtig zu schätzen wissen?
  • Woher weißt Du, dass heutzutage die Menschen nicht mehr genügend Rücksicht aufeinander nehmen?

Ein Praxisbeispiel

Ich hatte einen Kunden, der sich fürchterlich geärgert hat. Über alles Mögliche, über die Kollegen, die für ihn alle dumm sind und ihn absichtlich ärgern. Über seinen Chef, der nicht genug mitdachte und seine Lieblinge hatte und diese bevorzugt behandelte.

Er ärgerte sich auch, wenn er mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs war. Warum? Weil er der Meinung war, dass keiner Rücksicht nahm. Er sah nur, wie Menschen andere in die Bahn drängten, nicht für Schwangere aufstanden oder die Türen blockierten, wenn andere aussteigen wollten. Das war seine Wirklichkeit. Denn die entsteht durch die Erfahrungen, die wir machen und den Filter, den wir setzen.

Was heißt das jetzt?

Wenn ich meine, dass die Menschen rücksichtsvoller sein sollten, sehe ich nur noch Dinge, die diese Meinung unterstützen. Dadurch bestätigt sich mein Weltbild und ich bin weiterhin der Ansicht, dass ich Recht habe damit. Das wird dann sozusagen zur selbsterfüllenden Prophezeiung und ist Grundlage für meine Diskussion.

Ein Gegenbeispiel

Wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin, sehe ich ganz andere Menschen. Ich erlebe fast täglich, dass jemand auftsteht, für Ältere, Schwangere oder Freunde, die dann zusammen sitzen können. Allein in dieser Woche wurde ich so oft in der Bahn zum Lächeln gebracht, weil die Menschen zeigten, dass sie aufmerksam sind und auf ihren Sitzplatz verzichten, um es einem anderen leichter zu machen.

Wer hat nun Recht?

Hat mein Kunde Recht, dass die Menschen keine Rücksicht mehr aufeinander nehmen? Oder habe ich Recht, dass die Menschen sich gern gegenseitig unterstützen?

Beides stimmt, jedoch nicht in der absoluten Form. Es kommt beides vor, oft stehen die Leute nicht auf, fokussieren weiterhin ihr Handy in der Hand und sind in ihrer eigenen Welt. Oft helfen sie sich, stehen auf und machen Platz für Leute, von denen sie denken, dass sie den Sitzplatz gerade mehr benötigen. Doch was Du wahrnimmst, liegt an Deinem selektiven Filter.

Urlaubstage

So kann es auch sein, dass sich zwei streiten, wie viele Urlaubstage denn nun „normal“ sind in der eigenen Firma. Grundlage werden hier wohl die Arbeitsverträge sein, an denen sich der einzelne orientiert. Der eine hat vielleicht mehr als der andere und kann es so nicht glauben, wenn der andere weniger hat oder von einer anderen Zahl ausgeht.

Klar, es gibt verschiedene Ansätze (Staffelung nach dem Alter/Betriebszugehörigkeit) und gibt es einen Tarifvertrag, wird es dort geregelt. Doch bedenke auch, dass Firmen hier auch Spielräume ausnutzen.

Man kann auch diskutieren, dass es Erholungszeiten gibt, die dem einzelnen Mitarbeiter zwischen den Schichten zustehen. Ja, das ist auch gesetzlich geregelt und das kann eine Grundlage für diese Diskussion sein.

Auch hier habe ich im Laufe meiner Zeit im Einzelhandel viel erlebt. An die gesetzlichen Regelungen hält sich leider nicht jede Firma. Und zum Teil ist es auch schwierig, wenn viele Mitarbeiter im Urlaub oder auch krank sind. Dann muss einer den Laden abschließen und am nächsten Morgen wieder öffnen. Es macht also mehr Sinn, zu erkennen, dass es verschiedene Sichten gibt und, dass sie auch ihre Berechtigung haben.

Eine Ebene tiefer gehen

Jetzt schrieb ich, dass unsere Meinung, unser Weltbild, etwas damit zu tun haben, welche Erfahrungen wir gesammelt haben. Das stimmt so weit. Doch wir können hier noch einen Schritt weiter gehen. Unsere Meinungen beruhen auf Glaubenssätzen, die in uns entstehen aufgrund der Erfahrung.

Unterschied zwischen einer Meinung und einem Glaubenssatz

An dieser Stelle ist es wichtig, zu klären was der Unterschied zwischen Meinungen und Glaubenssätzen ist .

Eine Meinung habe ich mir unbewusst oder bewusst gebildet zu einem bestimmten Thema.

Ein Glaubenssatz entsteht meist in der Kindheit. Wir übernehmen ihn von unseren Eltern, Lehrern oder anderen Menschen, die in der Zeit Einfluss auf uns haben.

  • Glaubenssätze sind allgemeiner als Meinungen.
  • Wir haben Glaubenssätze in jungen Jahren gebildet und anschließend nie hinterfragt.
  • Sie können positiv, also uns unterstützend sein oder negativ, also blockierend.
  • Glaubenssätze sind die Grundlage für Meinungen.
  • Glaubenssätze enthalten meist Verallgemeinerungen und die Form „man“.

Ein Beispiel aus dem Coaching

Ich hatte eine Kundin, die fühlte sich sehr schlecht und schämte sich, wenn sie Verabredungen oder Versprechungen nicht einhalten konnte. Ihre Meinung war, dass sie zuverlässig sein muss. Der darunter liegende Glaubenssatz war, dass, wenn man nicht zuverlässig ist, man eine schlechte Freundin/Mitarbeiterin ist. Man beachte das „man“ in diesem Satz ;).

So diskutierte sie mit mir, als ich meinte, manchmal muss man auch schauen, warum man diese Versprechung nicht einhalten kann oder will. Das hat auch etwas mit „Nein sagen“ können zu tun. Doch aus ihrer Sicht war es wie in Stein gemeißelt, dass man sich immer an seine Verpflichtungen halten muss, komme was da wolle.

Dadurch ist Druck entstanden und ein Anspruch, dem sie selbst nicht gerecht werden konnte.

Glaubenssatzarbeit

Als Coach mache ich dann Glaubenssatzarbeit, beispielsweise mit Byron Katie. Oder ich arbeite mit der gewaltfreien Kommunikation und versuche gemeinsam herauszufinden, welches Bedürfnis dazu geführt hat, dass bestimmte Entscheidungen getroffen wurden.

Überstunden gemacht, obwohl eine länger geplante Verabredung mit der besten Freundin anstand? Hier könnten die Bedürfnisse Anerkennung (vom Chef, weil man länger bleibt) und Kultur (Kinobesuch mit der Freundin) aufeinander treffen.

Was kannst Du konkret in einem Gespräch tun?

Wenn jemand felsenfest überzeugt ist von einer Sache, kannst Du fragen, woher der andere das weiß. Spricht jemand von „immer“, „keiner“, „nie“, frage nach, wie oft es passiert ist. Das sensibilisiert den anderen dafür, dass es vielleicht doch keine allgemeingültige Wahrheit ist.

Sprich ansonsten von Deiner eigenen Erfahrung, die anders ist.

Berücksichtige dabei jedoch, dass Du den anderen mit Deiner Meinung nicht angreifst. Denn es ist wichtig, dass Du in der Kommunikation nicht das Selbstbild des anderen attackierst. Das führt wieder zu einer Stresssituation für den anderen, auf die er dann mit Kampf- oder Fluchtverhalten reagiert.

Greife in der Kommunikation das Selbstbild des anderen nicht an!

Eigene Erfahrung

Wie oft beiße ich mir auf die Zunge, weil ich merke, dass das, was ich sagen möchte, dem anderen sagt, Du hast Unrecht, Du weißt es nicht besser oder ähnliches. Das bringt in der Kommunikation gar nichts, außer, Du hast gerade Lust darauf, Dich zu streiten.

Wie kann ich davon ausgehen, dass der andere mir weiter zuhört und auf mich eingeht, wenn ich ihn beleidige???

Ja, dann hat mein Gegenüber den zweiten Teil von Schulz von Thun nicht gelesen und spricht bei dem Vier Seiten/Ohren Model von Selbstoffenbahrung. Das ist ja nicht falsch. Nur, dass in dem zweiten Teil von Schulz von Thun darauf eingegangen wird, dass Selbstkundgabe für die Menschen weniger erschreckend klingt als Selbstoffenbarung.

Fazit

Zusammengefasst lässt sich sagen:

Bei den meisten Themen gibt es keine Grundlage für richtig oder falsch.

Dein Gegenüber muss etwas davon haben, dass er sich überzeugen lässt.

Das Selbstbild Deines Gesprächspartners solltest Du intakt lassen.

Hinterfrage, warum Du einer Meinung bist und gehe mit offenen Augen durchs Leben, um Deine Ansicht zu überprüfen.

Mache klar, dass Du von Deiner Erfahrung oder von Deiner Ansicht sprichst. Beides kann nebeneinander stehen. Und schließlich könnt Ihr Euch ja auch einigen, dass Ihr Euch einig seid, dass Ihr uneinig bleibt ;).

Zum Weiterlesen:

Buch Superkräfte für Führungskräfte – gewaltfreie Kommunikation im Beruf

Vier Seiten Modell von Schulz von Thun

Byron Katie

Eigene Einstellung überdenken

Gewaltfreie Kommunikation-was ist das?

Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation

Workshop Umgang mit Vorwürfen und Co

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

5 Kommentare

  1. Die Überlegungen und Ansätze wie sinnvoll Diskussionen eigentlich sind gehen mir zur Zeit oft durch den Kopf weil ich einen ca. 2500 Jahre alten Fehler in Medizin gefunden habe. Ich bin sicher nicht der erste da Paracelsus vor 500 Jahren bemerke dass bereits zu seiner Zeit sehr viel eher falsch lief.

    Es ist fast unmöglich den Fehler zu finden.

    – Auf Medizin beschränkt und bereits so lang existent.

    – Nur neuere Wissenschaft wird im Gebiet Medizin ernsthaft in Betracht gezogen.

    – Übliche ‚re-seach‘ = ‚wiederfinden‘ Methoden (Forschungsmethoden) können ihn nicht finden da nicht einmal leichte Hinweise bestehen außer vielleicht ‚der Tod wartet im Bauch‘ und ähnliches von alten verstaubten Büchern was keinesfalls in irgend einer Weise als präzis betrachtet werden kann.

    Die Fehler liegen allesamt in den Methoden.

    Um die manuelle ‚Prior Art Patent Research‘ Methode im Gebiet Gesundheit und über den vollen möglichen Zeitraum von Jahrtausenden anzuwenden muss man entweder ein Ingenieur, verrückt, verzweifelt oder etwas genial sein oder wie in meinem Fall wo alle vier irgendwie zutreffen.

    Als ich viele Syndrome in der Geschichte zurückverfolgte fiel mir auf dass vor allem chronischen Krankheiten nicht wie oft angenommen hauptsächlich auf moderne Umweltursachen beruhen sondern eindeutig parallel zu der Innovations- und Erfindungskurve passen die ‚Lifestyle‘ beeinflussten. Vom Eiskasten bis zurück zur römischen Amphore. Künstlichen Dünger gibt es erst seit seit dem Haber-Bosch Verfahren und ist eindeutig unschuldig! Glyphosat kam viel später.

    ‚Alles ist Nahrung und Gift – die Dosis macht den Unterschied‘ = Anwendungsmethode. Tagein tagaus regelmäßige kleine Dosen über sehr lange Zeiträume machen einen großen und auch sogar genetischen Unterschied zu öfters stockbesoffen. Die Beweislast ist erdrückend, nur nicht in Medizinbüchern und auch sonst ist es schwierig festzustellen wann, wo und wie wir leicht fermentierten ungefilterten Apfelsaft ‚erfunden‘ haben außer lange vor dem Wein der schließlich zuerst kultiviert werden musste.

    Der Fehler liegt in ‚Was nun sprach Zeus, die Götter sind besoffen und der Olymp ist vollgekotzt.‘ denn zu dieser Zeit haben wir begonnen die Methode wie wir Saccharomyces Cerevisiae anwenden drastisch zu ändern (Schwefeldioxid und Retsina) und in neuerer Zeit mit Prohibition und Mikroben-angst parallel zu Antibiotika wurde es ernsthaft schlimm.

    Zur Zeit kann ich nicht einmal Freunde durch deren Leiden ich mit der Zeit näher zu besseren Antworten kam davon überzeugen es einfach auszuprobieren. Wir sind uns einig, dass meine Argumentation, Logik und Beweisführung gut, klar und grundlegend richtig sind. Aber die unterbewusste Angst vorm unbekannten steht im Weg und ich kann das etwas verstehen aber irgend etwas im Verlauf der Dinge übersehe ich und so kann ich nicht einmal Freunden helfen sich selbst zu helfen. Nur was übersehe ich ich wenn meine Worte zu nichts führen?

  2. Wenn zwei sich streiten, gibt es verschiedene Möglichkeiten:

    1.Beide Idioten
    2.Nur einer ein Idiot
    3.Kein Idiot, sie reden nur aneinander vorbei, weil sie es nicht gelernt haben, richtig zu kommunizieren oder weil sie in ihren jeweiligen Wertesystemen feststecken.

    Dieser Artikel behandelt Punkt 3.)! 😉

  3. Danke für den anregenden Artikel!
    Für mich persönlich ist Ihre Aufforderung, sich in Diskussion anders zu verhalten, eine große Anstrenung, wenn nicht sogar Zumutung. Denn zu meinen Glaubenssätzen gehört: Überzeugnungskraft ist etwas gutes und wichtiges. Analysefähigkeit auch. Also analysiere ich den Standpunkt meines Gegenübers, erkläre ihm haargenau, wo seine Fehler liegen und lege ihm dar, wieso meine Argumente besser sind. Und wenn er das nicht verstehen will, texte ich ihn weiter und lauter zu. Wenn er immer noch nicht nachgeben will, dann liegt es wahrscheinlich an seiner eingeschränkten Denkfähigkeit.
    Es hat lange gedauert, bis ich mein Verhalten diesbezüglich geändert habe. Den eigenen Anspruch aufzugeben, andere von meiner Meinung zu überzeugen, fiel mir sehr schwer – und tut es teilweise auch heute. Was ich gleichzeitig erlebe, ist, dass die Gespräche, die ich mit anderen führe, so viel interessanter geworden sind. Ich lerne spannende neue Sachen, einfach weil ich dem anderen zuhöre und ihn so lasse, wie er ist. Selbst mit AFD-Wählern gelingt mir das, ist aber echt schwer. Generell sind meine Gespräche soviel friedfertiger und ruhiger geworden – das mag ich nicht mehr missen.

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