Wie geht es dir? – Gefühle verstehen

Die Frage nach unserem Gefühlszustand wird uns regelmäßig gestellt. Ob und wie wir sie beantworten, hat viel damit zu tun, wer uns das fragt und wann.

Umgang mit deinen Gefühlen

Je besser wir uns kennen und je mehr wir uns mögen, desto eher werden wir hier ehrlich antworten. Ansonsten verstehen wir diese Frage nach unseren Gefühlen eher als nette Floskel.

Darauf antworten wir dann standardmäßig mit „gut“, „ganz gut“ oder ähnlichem. Wir gehen auch davon aus, dass unser Gegenüber nur der Höflichkeit wegen fragt und nicht wirklich wissen will, wie wir uns fühlen. Man kann ja auch nicht jedem sagen, dass man sich gerade einsam, hilflos oder überfordert fühlt. Und so genau wissen das viele Menschen auch gar nicht.

Meistens bleiben wir eher an der Oberfläche. So kategorisieren wir unsere Emotionen eher in gut und schlecht. Selbst wenn wir sie für uns schon besser durchschaut haben, heißt das ja nicht, dass wir auch darüber sprechen. Doch wie kann man nun seine Gefühle verstehen und welche gibt es da eigentlich?

Gefühle als 2. Schritt der gewaltfreien Kommunikation

In der gewaltfreien Kommunikation geht es darum, sich selbst besser zu verstehen und auch Konflikte schneller zu erkennen. Dazu schauen wir uns auch unsere Gefühlswelt an. Denn Gefühle kennt jeder. Jeder hat sie, jeden Tag, sein ganzes Leben lang. Wir sind verliebt, fröhlich, glücklich, gelassen, traurig, wütend, einsam, enttäuscht, verwirrt….

Basisemotionen

Da die große Anzahl an Gefühlen leicht mal überfordernd sein kann, erwähne ich hier die Basisemotionen. Das ist ein guter Einstieg ins Thema.

Laut dem amerikanischen Medizinprofessor Robert Plutchik gibt es acht Basisemotionen. Also Grundgefühle, die weltweit gültig sind. Jeder interpretiert die Gesichtsausdrücke gleich: Freude, Trauer, Vertrauen, Misstrauen, Angst, Wut, Ungewissheit und Gewissheit. Andere Gefühle entstehen erst durch die Kombination der Grundgefühle. So entsteht Liebe zum Beispiel durch Freude und Vertrauen.

Nach Paul Ekmann, amerikanischer Anthropologe und Psychologe, gibt es nur sechs Emotionen.

Überraschung,

Ekel,

Freude,

Ärger,

Trauer,

Angst.

Wenn diese Gefühle dir erstmal reichen, kannst du sie als Basis zum Üben nehmen, Natürlich kannst du auch schauen, ob du eher andere Begriffe nutzen würdest.

Echte Gefühle und Tätergefühle

In der gewaltfreien Kommunikation unterscheiden wir bei dem Thema der Gefühle echte Gefühle und Tätergefühle.

Egal, an wen man sich hält, bestimmte Emotionen, die wir als solche bezeichnen, sind eigentlich keine. Sie sind eher Vermutungen und Interpretationen.

Beispiele für Tätergefühle

Ich fühle mich

missverstanden

verachtet

übergangen

vernachlässigt

Habe ich den Eindruck, jemand hintergeht mich und sage es auch im zweiten Schritt der gewaltfreien Kommunikation als wäre es ein Gefühl anstatt eine Unterstellung, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich mein Gegenüber damit in die Defensive dränge.

Mit der Anwendung der GFK (gewaltfreie Kommunikation) will ich jedoch erreichen, dass mein Gegenüber offen bleibt. Ich wünsche mir, dass er zuhört und sich nicht denkt, ich will verletzen oder manipulieren. All diese Beispiele von oben sind keine Gefühle, sondern beruhen auf meiner Interpretation.

Ich mache den anderen damit zum Täter. Er hat etwas getan und deshalb geht es mir jetzt schlecht! Ich armes Opfer! Du böser Täter! Deswegen werden diese Gefühle in der GFK als „Tätergefühl“ oder auch als „Pseudogefühl“ bezeichnet.

Überlege dir also genau, bevor du das Gespräch suchst, welches Gefühl eigentlich hinter deinem Gedanken steckt.

Wie fühlst du dich, wenn du denkst, du wirst beispielsweise missverstanden? Traurig? Einsam? Hilflos?

Ja, du gibst damit mehr über dich preis, aber die Chance, dass du damit den anderen erreichst, ist höher und auch, dass er sich auch öffnet. Dein/e Gesprächspartner/in ist weniger verärgert, wenn du zugibst, dass du traurig bist, als wenn du sagst, dass du dich missverstanden fühlst.

Gefühle verstehen

Nun haben wir uns verschiedene Gefühle angeschaut und auch, was es da für Unterschiede gibt. Doch wie entstehen diese Emotionen eigentlich? Gefühle entstehen einerseits, wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Sind wir hungrig, liegt es daran, dass das Bedürfnis nach Nahrung nicht erfüllt ist. Sind wir unsicher, fehlt uns Sicherheit. Sind wir traurig, fehlt uns zum Beispiel Nähe oder Liebe. Allerdings gibt es nicht bei jedem Gefühl ein einzelnes Bedürfnis, das zugeordnet werden kann.

Gefühle entstehen auch durch unsere bewertenden Gedanken. So kann ein einzelnes Erlebnis bei unterschiedlichen Menschen zu unterschiedlichen Gefühlen führen, da sie unterschiedlich bewerten.

Beispiel

Bei einem verabredeten Termin kommt die andere Person nicht pünktlich. Während der Wartezeit können nun unterschiedliche Dinge in unserem Kopf passieren:

1. Sorge verstehen

Wir sind besorgt, da wir denken, dass die andere Person sonst immer pünktlich ist oder sich zumindest meldet und Bescheid sagt, wenn sie nicht pünktlich sein wird.

„Ob ihr etwas passiert ist?“

2. Ärger verstehen

Wir ärgern uns, da wir denken, dass die andere Person unsere Zeit nicht respektiert und sich so respektlos benimmt.

„Das kann doch nicht ihr Ernst sein, ich sitze hier doch nicht ewig! Ich habe noch ganz andere Dinge zu erledigen!“

3. Scham verstehen

Wir schämen uns, wenn wir denken, dass das alles etwas mit uns zu tun hat.

„Habe ich etwas falsch gemacht?“ oder auch

„Sie nimmt es mir bestimmt übel, dass ich letztes Mal abgesagt habe/ihren Geburtstag vergessen habe.“ (oder ähnliches)

Das heißt also auch, dass wir unsere Gefühle steuern können, wenn wir unsere Gedanken beobachten und beeinflussen.

Gefühle erkennen

Oft nehmen wir unsere Gefühlsregungen nicht richtig wahr oder wir gehen über sie hinweg. Gefühle verstehen ist ja noch eine Stufe höher.

Gefühle, die mit unseren Grundbedürfnissen verknüpft sind, merken wir meistens noch ganz gut. Hunger/Durst oder auch Müdigkeit zeigen sich auch durch Magenknurren und Gähnen (auch durch Sauerstoffmangel erzeugt). Wir merken, wir sind hungrig, doch die Aufgabe muss noch schnell erledigt werden. Dann kommt noch ein Anruf und dann müssen wir schon wieder los. So essen wir schnell noch etwas unterwegs. Ähnlich ist es mit den Pausen. Die werden verschoben, verkürzt, fallen ganz aus. Der Körper dankt es dir nicht.

Erkennst du bei dir immer, um welches Gefühl es sich handelt? Was ist mit Wut, Trauer, Scham, Einsamkeit, Hilflosigkeit oder auch Angst?

Eine Übung, die ich immer wieder mache, ist, dass ich aufmerksam beobachte. Immer wenn ich merke, es geht mir nicht gut und ich weiß noch nicht genau, was es ist, mache ich sie. Ich schließe die Augen, atme bewusst ein und aus und lasse meine Aufmerksamkeit durch meinen Körper wandern.

Was sagt mir mein Körper?

Wo spüre ich eine Anspannung?

Je nachdem, welches Gefühl gerade vorherrscht, ist es ein Knoten im Hals, ein Ball im Magen oder ähnliches.

Gefühle akzeptieren

Habe ich mein Gefühl identifiziert im Körper und es auch benannt, geht es nun einen Schritt weiter. Gefühle wollen, wie wir Menschen auch, gesehen und akzeptiert werden. Die angenehmen genauso wie die unangenehmen. Letztere unterdrücken wir gern und so vernachlässigen wir sie aber. Sie kommen immer wieder und werden auch nicht weniger stark.

Das ist auch ein Grund, warum wir manchmal übertrieben reagieren und unser Umfeld sich fragt, wo das jetzt herkommt. Da haben sich einfach die Gefühle über eine ganze Zeit aufgestaut und nun sind sie viel mächtiger und intensiver.

Akzeptieren wir unser Gefühl, fühlt es sich gesehen und wird auch wieder verschwinden.

Bei Christina Neumaier habe ich gelernt, besser mit meinen Gefühlen umzugehen. Sie hat mir beigebracht, freundlich zu allen Gefühlen zu sein. Im Sinne von

„Hallo Wut. Schön, dass du da bist und mich davor warnen willst, dass gerade eine meiner Grenzen überschritten wurde. Danke, ich habe das jetzt verstanden und ich werde mich darum kümmern.“

Klingt das für dich komisch? Ich fand es gleich gut. Man kann sich hier auch die Wut in einer Farbe oder als Bild vorstellen. Bei mir ist es ein kleiner roter Teufel.

Gefühle und ihre Kraft nutzen

Der folgende Abschnitt ist inspiriert von dem Buch „Gefühle und Emotionen, eine Gebrauchsanleitung“ von Vivian Dittmar.

Sie beschreibt unsere Gefühle und ihre Kraft. Wenn wir diese Gefühle und ihre Kraft akzeptieren und verstehen, können wir sie gezielt einsetzen. Auf drei gehe ich im Folgenden kurz ein.

Wut verstehen

Der Gedanke, der die Wut erzeugt ist „Das ist falsch.“ Die Aufgabe, die Wut hat, ist, dafür zu sorgen, in die Handlung zu kommen. Sie gibt dir Energie, um beispielsweise Grenzen zu setzen, nein zu sagen, zu deinem Standpunkt zu stehen und für Klarheit zu sorgen.  Ist sie zu stark, kann sie zerstörerisch wirken.

Angst verstehen

Der zugrunde liegende Gedanke bei Angst ist „Das ist furchtbar.“ Die Aufgabe ist, für Kreativität zu sorgen. Sie hilft uns dabei, Auswege und Lösungen zu finden, Grenzen zu überschreiten und uns zu entwickeln. Das setzt voraus, dass sie nicht so aufgestaut ist, dass sie uns blockiert und passiv werden lässt.

Trauer verstehen

Der Gedanke, der Trauer entstehen lässt, lautet „Das ist schade.“ Trauer hilft uns dabei, Dinge zu akzeptieren, wie sie sind und anzunehmen. Auch sie hat den Nachteil, dass sie in Passivität münden kann, wenn sie zu stark ist.

Was bringt es, über Gefühle zu sprechen?

In der GFK geht es  nicht nur darum, vier Schritte durchzugehen, wobei der zweite Schritte unsere Gefühle sind. Es geht darum, dass wir wertschätzend miteinander umgehen und versuchen, in den empathischen Kontakt miteinander zu kommen.

Wir versuchen, uns selbst besser zu verstehen und uns in den Kommunikationspartner hineinzufühlen. Dabei freuen wir uns, wenn der andere nicht nur zuhört, sondern uns auch versteht und genau weiß, was wir meinen und wie wir uns gerade fühlen.

Über Gefühle zu sprechen, kann gegenseitiges Verständnis erzeugen.

Besonders schön war es für mich, als ein Teilnehmer mir neulich Feedback gab. Er erzählte mir, dass er die gewaltfreie Kommunikation und das Sprechen über Gefühle am Wochenende mit seiner Freundin ausprobierte.  Beide hatten geweint, da sie sich noch nie so gut verstanden gefühlt haben. Da waren nicht nur die beiden glücklich, sondern auch ich.

Fazit zum Gefühle erkennen & nutzen

Wenn wir unsere Gefühle besser verstehen, sie akzeptieren und ihre Kraft nutzen, haben wir nicht mehr den Eindruck, wir sind ihnen ausgeliefert. So haben wir selbst die Möglichkeit, unsere Gefühlsregungen zu steuern, wenn wir uns mehr mit unseren Gedanken auseinandersetzen. Wenn wir auch noch über unsere Gefühle sprechen, haben wir die Chance, unsere Umwelt besser kennenzulernen und unsere Beziehungen zu verbessern.

Wie ist dein Umgang mit deinen Gefühlen? Ich freue mich von dir zu lesen!

Alles Liebe

deine Susanne

P.S. : Hol dir hier meine  Tipps, um Konflikte gewaltfrei anzusprechen inklusive Gefühlsliste!

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Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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