Einblicke in die Giraffensprache – das macht sie aus

Vielleicht hast du auch schon öfter etwas von der Giraffensprache und der Wolfssprache gehört? Denkst du, das gehört in den Kindergarten? Beides gehört zum Konzept der gewaltfreien Kommunikation. Was darunter genau zu verstehen ist und welche Elemente der Giraffensprache wichtig sind, schauen wir uns nun genauer an.

Giraffensprache – gewaltfreie Kommunikation

In der gewaltfreien Kommunikation sprechen viele von Giraffensprache und Wolfssprache. Das sind Synonyme für gewaltfreies und gewaltvolles Sprechen. Marshall B. Rosenberg, der das Modell der gewaltfreien Kommunikation entwickelt hat, arbeitete gern mit diesen beiden Tieren, um die Arten der Sprache zu verdeutlichen. Dabei sprach er im Englischen vom Schakal und im Deutschen haben wir dieses Tier „zum Wolf gemacht“.

Warum Giraffe?

Die Giraffe ist das Landsäugetier mit dem größten Herzen und sie hat einen schönen langen Hals. Das passt also ganz gut, denn in der gewaltfreien Kommunikation dreht es sich viel um Gefühle, deine und die von deinem Konfliktpartner. So versuchen wir in Kontakt mit uns selbst und mit unserem Gegenüber zu kommen.

Zusätzlich geht es auch darum, dass dein Blick auf die Konfliktsituation mit etwas mehr Abstand und Weitsicht geschieht.

Definition Giraffensprache – was ist das?

In der Giraffensprache versuchen wir, uns gegenseitig besser zu verstehen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen anstatt dem anderen unsere Lösung aufzudrängen.

Hier wird eine wertschätzende Kommunikation kombiniert mit einer Haltung, die sowohl dem anderen als auch sich selbst gegenüber von Wohlwollen und Augenhöhe geprägt ist. Auf die konkreten Merkmale und die Haltung gehe ich in den nächsten Abschnitten genauer ein.

Welche Haltung verbirgt sich hinter der Giraffensprache?

Wenn du gewaltfrei unterwegs bist, siehst du Fehler als Chancen und weißt, dass jeder mal etwas „falsch“ macht. Sie  begleiten uns auf dem Weg der Entwicklung und sind menschlich.

In der Haltung der „Giraffe“ glauben wir an die Menschen und, dass sie alles tun, um sich ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Wir glauben nicht, dass andere Dinge extra tun, um uns absichtlich zu schaden.

Neben dieser Bedürfnisorientierung ist das Thema der Eigenverantwortung in der gewaltfreien Sprache ganz wichtig. Die Haltung der gewaltfreien Kommunikation besagt, dass wir alle selbst für unsere Gefühle verantwortlich sind. Wir sagen also eher, „ich bin sauer, weil ich / mir…“ und nicht „ich bin sauer, weil du…“.

Also zum Beispiel „Ich bin sauer, weil mir wichtig ist, dass du mich unterstützt“ statt „Ich bin sauer, weil du mir mal wieder nicht geholfen hast.“

In der Linkliste unter diesem Artikel findest du auch einen Blog, der zu den wichtigsten Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation führt ;):

Sprachliche Merkmale der Giraffensprache

Aus dieser Haltung heraus, ergibt sich die Art der Sprache und auch die Struktur der vier Schritte.

Die Giraffe verzichtet auf Verallgemeinerungen, Vorwürfe, Unterstellungen, Bewertungen und die Ausnutzung von verbaler Macht.

Sie ist einerseits konkret und sachbezogen (1. Schritt Beobachtung), andererseits deckt sie auch die Beziehungsebene der Sprache ab, indem über Gefühle und Bedürfnisse gesprochen wird (2. Schritt Gefühle und 3. Schritt Bedürfnisse). Der 4. Schritt kann sach- oder bedürfnisorientiert sein, je nach Inhalt.

Die vier Schritte der Giraffensprache

Beobachtung – was habe ich gesehen und gehört?

Gefühle – wie geht es mir jetzt?

Bedürfnisse – was brauche ich, damit es mir besser geht?

Bitte – worum kann ich konkret bitten?

Beobachtung

Das Besondere an der Beobachtung ist, dass wir uns auf die Fakten fokussieren und alles, das wertend ist, weglassen. Statt zu sagen, „Du bist so chaotisch“ sagen wir zum Beispiel „Du bearbeitest fünf Projekte gleichzeitig auf dem Whiteboard“.

Gefühle

Aus der Haltung heraus, dass wir selbst für unsere Gefühle verantwortlich sind, sprechen wir von „wütend“, „traurig“ oder auch „hilflos“.

Begriffe, die eigentlich unterstellen, dass der andere etwas absichtlich getan hat, lassen wir weg oder formulieren es anders. So sagen wir in der gewaltfreien Kommunikation nicht, dass wir uns „sabotiert“ oder „übergangen“ fühlen. Das sind keine Gefühle, sondern eher Unterstellungen. Wir nennen eher sogenannte „echte Gefühle“ wie „sauer“ oder „frustriert“.

Bedürfnisse

Nutzt du die Giraffensprache, kannst du über deine Bedürfnisse wie beispielsweise Klarheit, Kooperation, Sicherheit oder auch Wertschätzung sprechen.

Hier gibt es keine sprachlichen, eher inhaltliche Besonderheiten. Die Giraffensprache unterscheidet Bedürfnisse wie die oben genannten von den konkreten Strategien, die wir Menschen gehen, um uns dieses Bedürfnis zu erfüllen.

Also was machst du, wenn du Anerkennung haben möchtest? Du bleibst vielleicht länger oder meldest dich für ein bestimmtes Projekt. Ein anderer zieht sich dafür vielleicht besonders chic an, eine andere fährt ein sehr teures Auto. All diese Strategien könnten dem Bedürfnis Anerkennung gerecht werden.

Bitte

Bei der Bitte kann der andere „nein“ sagen, das entsteht aus der Haltung heraus, dass wir auf Augenhöhe miteinander umgehen und sprechen. Auch als Führungskraft kann ich bitten und muss nicht fordern. Das hat etwas mit der inneren Einstellung zu tun.

Die sprachlichen Besonderheiten bei der Bitte sind, dass wir konkret bitten, um etwas, das von der anderen Person auch beeinflussbar und umsetzbar ist.

Dabei wird die Bitte positiv formuliert, also so, dass der andere weiß, um was wir ihn bitten und nicht, um was wir ihn NICHT bitten („Bitte komme pünktlich“ statt „Bitte sei nicht mehr unpünktlich“).

  • konkret
  • beeinflussbar
  • machbar
  • positiv

Wozu nutzen wir die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation?

Die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation nutzen wir für uns und den anderen vor einem Gespräch. So geben wir uns selbst Empathie und auch Klarheit und verstehen uns in unserem Konflikt besser.

Wir üben uns in Empathie, wenn wir uns im Vorfeld mit den vier Schritten in unseren Konfliktpartner hineinversetzen. Dieser Perspektivwechsel führt eher zu einem konstruktiven Austausch. Gegebenenfalls nutzen wir sie auch im Gespräch. Das müssen wir aber nicht.

Beispiel Giraffensprache

Ich bringe hier mal ein Beispiel, um das Ganze deutlicher zu machen. Aus der Haltung der Giraffensprache heraus, weiß ich, mein Gegenüber wird von Gefühlen und Bedürfnissen geleitet. Ich weiß, im Stress neigen wir zu Übertreibungen und greifen schnell mal an. Mit dieser Einstellung gehe ich beispielsweise so mit Vorwürfen um:

Ich bin selbst die Person, die einen Vorwurf an die Mitarbeiterin machen könnte:

Beobachtung: Mir ist aufgefallen, dass du die letzten drei Tage eine halbe Stunde früher gegangen bist, ohne das mit mir zu besprechen.

Gefühle und Bedürfnis: Ich bin überrascht und brauche Klarheit.

Bitte: Sagst du mir bitte, wie es dazu kam?

Meine abgewandelte Form:

Mir ist aufgefallen, dass du die letzten drei Tage eine halbe Stunde früher gegangen bist, ohne das mit mir zu besprechen. Das wundert mich und ich möchte gern wissen, woran das liegt. Magst du mir vielleicht sagen, was bei dir gerade los ist?

Meine Lieblingsvariante ❤️für den Start ins Gespräch: 

Mir ist aufgefallen, dass du die letzten drei Tage eine halbe Stunde früher gegangen bist, ohne das mit mir zu besprechen. Magst du mir vielleicht sagen, was bei dir gerade los ist?

Du kannst hier auch eine andere öffnende Frage stellen, damit die Person ins Reden kommt.

Ich bin die Person, die einen Vorwurf hört, zum Beispiel von einem Kollegen:

Beispiel: „Da hast du dich aber überhaupt nicht angestrengt. Das kann ja nicht wirklich dein Ernst sein…!“

Ich: „Magst du mir sagen, was du genau damit meinst?“

oder auch „Was fehlt dir konkret bei der Ausarbeitung?“

(Hier wäre ich überrascht und bräuchte mehr Information).

Was bringt mir das?

Was bringt es dir nun, wenn du die Giraffensprache anwenden kannst? Aus meiner Sicht sehr viel.

Die Giraffensprache…

…minimiert deinen Stress,

…verbessert deine Kommunikation mit deinem Umfeld,

…lässt dich schneller Konflikte auflösen,

…sensibilisiert dich für das Konfliktpotential von Sprache,

…hilft dir, dich selbst besser zu verstehen,

…hilft dir, andere Menschen besser zu verstehen

Wobei hat die Giraffensprache mir geholfen?

❶   Ich achte mehr auf mich und meine Bedürfnisse, da ich jemand bin, der gerne für andere Menschen da ist.

❷  Meine beruflichen und privaten Beziehungen profitieren davon, dass ich öfter frage, wie es zu einem bestimmten Verhalten kam, anstatt wie früher gleich zu interpretieren und zu bewerten.

❸  Da ich verstehe, dass die meisten Menschen nur ihr Bestes tun, auch wenn das von Außen oft nicht so wirkt, ärgere ich mich weniger.

❹  Die Verantwortung für meine Gefühle zu übernehmen fällt mir leichter und ich schiebe die Schuld nicht mehr anderen zu.

❺ Ich verstehe, dass die Menschen nicht immer so sind, wie ich sie gerne haben möchte und dass das einfach normal ist ?.

War es das?

Ich könnte zu dem Thema ganze Bücher füllen, eins habe ich schon ? (im Footer findest du auch Buch und E-Book). Die Haltung und die Sprache sind eng miteinander verknüpft.

Letztlich ist die Giraffensprache ein Teil der gewaltfreien Kommunikation und auch ein Synonym. Denn die GFK unterscheidet die gewaltvolle und gewaltfreie Kommunikation und zeigt auf, wie die unterschiedlichen Reaktionen sein können, je nachdem, welche Variante wir nutzen.

P.S.

Wenn du das Symbol der Giraffe nicht magst oder unpassend findest, könntest du dir auch eine Brücke als Symbol für verbindende Kommunikation vorstellen. Darum geht es letztlich in der Giraffensprache. Wir wollen die Sprache wertschätzend nutzen, um gemeinsam Unstimmigkeiten zu klären und nicht, um weiteres Konfliktpotential entstehen zu lassen.

Alles Liebe

deine Susanne

Wenn du mehr zum Thema erfahren willst:

Kritik wertschätzend äußern

Marshall B. Rosenberg

Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation

Gewaltfreie Kommunikation im Gespräch

Buch Superkräfte für Führungskräfte – gewaltfreie Kommunikation im Beruf

Zufriedenheit am Arbeitsplatz steigern

Konflikte auflösen

Jetzt reicht es! Vorwürfen souverän begegnen

Hier kannst du dir den Blogartikel auch anhören

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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