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Das innere Kind- was ist das eigentlich genau?
ein Gastartikel von Rosina Geltinger
Wenn ich vor 10 Jahren vom inneren Kind gesprochen habe, haben mich meist große Augen mit vielen Fragezeichen angesehen. Mittlerweile ist das innere Kind schon fast in Mode. Es wird viel darüber gesprochen und geschrieben, aber trotzdem kommt immer wieder die Frage: Was ist das innere Kind eigentlich genau? Und: Warum ist das wichtig für mich? Was hat dieses innere Kind mit meinem heutigen Leben zu tun? Diese Fragen beantworte ich in diesem Artikel.
Was ist das innere Kind?
Mal ganz kurz und knapp zusammengefasst: Die Gefühle und Empfindungen, die wir als kleines Kind wahrnehmen und spüren, bevor unser Verstand ins Spiel kommt, werden in uns abgespeichert. Diese Gefühle und Empfindungen bleiben in uns gespeichert und wenn uns Situationen an die Ursprungssituation erinnern, können diese „alten“ Gefühle, die wir damals als Kind hatten aktiviert werden. Das ist mit innerem Kind gemeint.
Zum Beispiel:
Wenn wir in den Urlaub gefahren sind, waren meine Eltern fröhlich und unbeschwert. Da haben sie immer ein spezielles Lied gehört. Diese ausgelassene Stimmung habe ich als Kind geliebt. Da ging es mir immer so richtig gut. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass ich dieses Wohlgefühl auch Jahrzehnte später noch fühle, sobald ich dieses Lied höre. Selbst dann, wenn ich mich an die Situation von damals gar nicht mehr bewusst erinnern kann.
Die Erinnerung wurde in uns, in unserem Körper, als Gefühl und als Körperwahrnehmung abgespeichert. Das ist eine Erinnerung des inneren Kindes.
Warum ist das innere Kind im Erwachsenenalter überhaupt noch von Bedeutung?
Diese „alten“ Gefühle werden immer wieder aktiviert werden, wenn uns aktuelle Situationen als alte Erlebnisse erinnern. Das spielt eine sehr große Rolle in deinem jetzigen Laben, auch, wenn du das gar nicht merkst, weil das unbewusst passiert, was sehr oft der Fall ist.
Mal angenommen, deine Eltern haben als Kind oft zu dir gesagt: Das kannst du nicht, dafür bist du zu klein! Diesen Satz haben sie in den unterschiedlichsten Situationen immer und immer wiederholt. Irgendwann wirst du ihnen glauben, denn bis zu einem Alter von 6-7 Jahren sind unsere Eltern wie Götter für uns. Unantastbar. Unsere Eltern haben immer recht. Also glaubst du irgendwann, dass du das nicht kannst, und irgendwann geht der Satz in Fleisch und Blut über. Aus dem „Das kannst du nicht“ wird dann irgendwann ein „Ich kann das nicht“.
Dieses „Ich kann das nicht“ wird dich dein ganzes Leben begleiten, weil dieser Satz sich als sogenannter Glaubenssatz in dir eingeprägt hat. Sobald dieser Glaubenssatz aktiviert wird, kann das Wut, Hilflosigkeit und andere starke Emotionen auslösen. Das hat aber nichts mit der aktuellen Situation zu tun, in der du bist, sondern mit deinen Gefühlen von damals, die jetzt nur wieder getriggert (aktiviert) wurden. Mit den Gefühlen deines inneren Kindes.
Übrigens: Ich bin mir ziemlich sicher, dass jeder den Satz „Das kannst du nicht“ in seiner Kindheit mal gehört hat, und nicht bei jedem ist ein Glaubenssatz daraus geworden. Das liegt daran, dass Glaubenssätze sich nur dann entwickeln, wenn die ursprünglichen Sätze immer wieder und ständig wiederholt wurden. Wenn das eher selten gesagt wurde, kann es sehr gut sein, dass kein Glaubenssatz entsteht.
Woran merke ich, dass sich mein inneres Kind meldet?
Es gibt es ein paar Merkmale, an denen du gut erkennst, dass das Gefühle von deinem inneren Kind sind:
– Wenn dich etwas „triggert“ und du unangemessen auf eine Situation mit starken Gefühlen reagierst. Das ist das sicherste Merkmal für ein inneres Kind Gefühl.
– Wenn du immer und immer wieder in dieselben Situationen gerätst. Also, zum Beispiel immer dieselben Konflikte mit deinem Chef, immer dieselben Streitsituationen mit deinem Partner, immer wieder die gleichen Reibereien mit deinen Eltern. Da steckt oft innere Kind Energie dahinter.
– Unangenehme Körperempfindungen, die sich wiederholen und gefühlt schon ein Leben lang da sind. Zum Beispiel der Kloß im Hals bei Konflikten. Wenn sich immer wieder dieselben Körperempfindungen melden, bei denen du denkst „Das hab ich schon immer“, dann ist dieses Gefühl sehr wahrscheinlich aus dem inneren Kind heraus entstanden.
Dazu hab ich ein interessantes Beispiel: Ich hatte mal eine Klientin, der oft latent übel war, ohne, dass sie dieses Gefühl näher beschreiben und definieren konnte. Übelkeit ist eine Abwehrreaktion und bedeutet übersetzt nichts anderes als „Das bekommt mir nicht“.
Die Klientin hatte eine sehr traumatische Kindheit, da gab es sehr, sehr viele Situationen, die unbekömmlich waren. So war die Übelkeit ein logisches Symptom, dass die Erfahrung des inneren Kindes 1:1 wiedergegeben hat.
Das ist ein sehr anschauliches Beispiel, wie das innere Kind sich zeigen kann.
Kann ich die Gefühle meines inneres Kind „verändern“?
Ja, die Empfindungen, die in dir gespeichert sind, können verändert werden.
Bevor ich das jetzt theoretisch erkläre, nehme ich nochmal das Beispiel meiner Klientin und wie wir ihre Übelkeit weggebracht haben. Ich hab die Klientin gebeten, sich selbst zu beobachten. Wann kommt die Übelkeit? Was passiert kurz bevor dir übel wird?
Schon durch das Beobachten hatte die Klientin einige AHA Momente! Sie merkte z.B., dass die Übelkeit immer dann kommt, wenn andere ihre Grenzen nicht ernst nehmen. Wenn andere in ihren persönlichen Bereich „eingreifen“ und ihre Bedürfnisse übergehen. Deswegen sind wir immer wieder in diese Situationen „reingegangen“. Also, immer, wenn solche Situationen aufgetreten sind, habe ich sie gebeten zu spüren, wie es sich anfühlt, wenn das passiert.
Sobald sie das Gefühl deutlich spüren konnte, kommt der Link zum inneren Kind: Wenn du mal nur bei dem Gefühl bleibst, losgelöst von der Situation, wann hast du dieses Gefühl das erste Mal in deinem Leben gefühlt? Wie alt warst du? Hier ist wichtig die erste Antwort zu nehmen, nicht drüber nachdenken, sondern die erste Antwort, die der Bauch schickt, nehmen. Dann wissen wir, in welchem Alter das Gefühl entstanden ist.
Da geht es gleich mit dem nächsten Schritt weiter, wie ging es dir in dem Alter? Was ist damals passiert? Es ist immer wieder faszinierend, wie schnell die Klientin hier ganz deutliche, innere Bilder bekommen hat. Es hat sich direkt eine konkrete Situation vor ihrem inneren Auge gezeigt, in der es dem kleinen Mädchen nicht gut ging. Was hätte die Kleine gebraucht, damit es ihr besser gegangen wäre? Welche Hilfe hätte sie gebraucht, damit diese Situation sich nicht so schlimm für sie angefühlt hätte? Hier arbeite ich dann gerne mit Visualisierung, mit der wir das innere Kind beruhigen und unterstützen können.
Mit dieser Art der Arbeit haben wir es geschafft, dass die Übelkeit der Klientin komplett verschwunden ist. Das ist jetzt nur ein kleiner Auszug unserer Arbeit gewesen, da die Klientin stark traumatisiert war, haben wir natürlich sehr intensiv gearbeitet.
Was du für dich übernehmen kannst
Auch wenn das jetzt ein kleiner Auszug aus einer sehr komplexen Arbeit war, kannst du hier einiges für dich rausziehen. Du kennst jetzt die typischen Merkmale, wie das innere Kind sich oft zeigt. Halte Ausschau nach diesen Merkmalen!
Alleine diese Bewusstwerdung kann schon ganz viel AHA in dir auslösen. Denn wenn du weißt, dass dieses Gefühl, dass du gerade wahrnimmst, gar nichts mit der momentanen Situation zu tun hat, sondern sich ein altes Gefühl zeigt, entspannt das schon ungemein!
Dann kannst du noch einen Schritt weitergehen, und dich fragen: Seit wann kennst du dieses Gefühl? Die erste Zahl, die dir in den Sinn kommt, nimmst du. Überlege, was war zu der Zeit, als du in dem Alter warst? Vielleicht wird dir da schon etwas bewusst, was dir direkt hilft und Erleichterung schafft. Wenn dir jetzt zum Beispiel bewusst wird, dass dieses Gefühl entstanden ist, als deine Eltern sich getrennt haben. Das ändert zwar nichts am Gefühl selbst, aber du kannst es jetzt zuordnen, und das bringt innere Klarheit und damit Erleichterung.
Jedes Mal, wenn das Gefühl jetzt auftritt, kannst du es innerlich zuordnen, indem du zu dir sagst: „Ach spannend, jetzt nehme ich das Gefühl wieder wahr. Das ist ein altes Gefühl, aus der Zeit, als meine Eltern sich getrennt haben. Das ist jetzt vorbei und hat mit der jetzigen Situation nichts zu tun.“
Einmal tief durchatmen, und schon fühlt es sich nicht mehr ganz so schlimm an.
Zusammenfassung
Das innere Kind, die Gefühle und Empfindungen des inneren Kindes können wir nicht standardmäßig kategorisieren. Das ist bei jedem Menschen ganz individuell. Das heißt, da gibt es ganz viel zu entdecken und zu erkunden!
Wenn du Lust hast, dein inneres Kind besser kennenzulernen, sei neugierig und lasse dich einfach darauf ein. Auch wenn du vielleicht negative Emotionen und Gefühle kennenlernen wirst, dann ist das toll. Denn erst in dem Moment, in dem du diese Gefühle bewusst wahrnimmst, kannst du sie verändern. Achte auf die Merkmale und Zeichen, die dein inneres Kind dir schickt und geh auf deine ganz persönliche, spannende Entdeckungsreise. Glaub mir – es lohnt sich!
Über Rosina Geltinger
Schon im Teenageralter haben mich die Wege der Seele fasziniert. Diese Faszination ist geblieben. Als ich dann selbst belastende Lebenssituationen zu meistern hatte, kam ich dann tiefer mit der Welt der Glaubenssätze und des Inneren Kindes in Berührung. Durch diese innere Arbeit kam so viel Leichtigkeit, Lebendigkeit und Lebensfreude in mein Leben, dass klar war: Genau in diesem Prozess möchte ich andere Menschen begleiten.
Website: www.rosinageltinger.de
Instagram: https://www.instagram.com/rosinageltinger/
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