3 Gründe warum die gewaltfreie Kommunikation nicht funktioniert

Warum die gewaltfreie Kommunikation nicht funktioniert? Hattest du auch schon eine Situation, in der du dich gefragt hast, warum das nicht geklappt hat mit den vier Schritten der GFK?

Stolpersteine bei der Anwendung der gewaltfreien Kommunikation

Als ich die gewaltfreie Kommunikation kennen lernte, war ich Feuer und Flamme! Wie genial sie doch ist, dachte ich mir. Also wollte ich sie auch anwenden und nutzen, um anzusprechen, wenn ich mal genervt war von anderen Menschen, weil zum Beispiel Absprachen nicht eingehalten wurden. Doch das hat nicht immer so geklappt, wie ich mir das vorgestellt habe und das fand ich frustrierend.

Anfangs habe ich mich also oft gewundert, warum die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte bei mir nicht immer funktionieren. Ich habe dabei selbst einige Grenzen und Fallen entdeckt und möchte diese Erfahrungen hier nun mit dir teilen. Schau gern, ob dir das bekannt vorkommt. Vielleicht erkennst du dich ja wieder.

1. Warum die gewaltfreie Kommunikation nicht funktioniert: Veränderungen brauchen Zeit

Es ist ganz natürlich, dass das mit der Umsetzung der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nicht immer gleich klappt. Schließlich haben wir meist schon mehrere Jahrzehnte eine andere Form der Kommunikation genutzt, bevor wir zur gewaltfreien Kommunikation kommen. Das änderst du nicht von heute auf morgen. Außerdem hat das halt ganz viel mit deiner inneren Haltung zu tun und wenn die gerade eher gewaltvoll ist, bringen dir auch die vier Schritte nichts. Mehr dazu unten bei Punkt drei ;).

Doch wenn dir das wichtig ist, die GFK mit ihren vier Schritten zu verinnerlichen, dann kannst du das gezielt üben. Wenn es dir erstmal um den Ablauf geht, kannst du das sogar allein machen. Dazu könntest du 21 Tage lang jeden Tag abends eine Situation des Tages in den vier Schritten aufschreiben.

Vorarbeit

Das heißt, du brauchst eine Situation, die nicht so gelaufen ist, wie du es dir vorgestellt hast. Das ist dein Auslöser. Als erstes lässt du dazu deine Gedanken mit all deinen Bewertungen zu.

Schritt eins bis vier

Dann folgt der erste Schritt der Beobachtung. Was hast du genau beobachtet?

Beim zweiten Schritt schaust du dir deine Gefühle an. Welche Gefühle wurden ausgelöst, weil dein Bedürfnis nicht erfüllt ist in diesem konkreten Moment?

  • Hast du dich über den Kollegen geärgert?
  • Oder warst du besorgt, weil ein Angebot nicht angenommen wurde?
  • Oder hast du noch keine Klarheit, um welches Gefühl es in der Situation überhaupt ging?

Die Bedürfnisse fokussierst du im dritten Schritt. Welches Bedürfnis ist aus deiner Sicht nicht erfüllt, wenn sich die Person so verhält, wie sie es tut?

Die Bitte ist der vierte Schritt. Si ehat die Funktion, dein unerfülltes Bedürfnis zu erfüllen und somit dazu beizutragen, dass es dir wieder besser geht.

Wenn du das drei Wochen lang jeden Tag übst, fühlst du dich sicherer und bestärkt und kannst spätestens dann auch „draußen in der wilden Welt“ üben und die GFK anwenden.

Zusätzlich kannst du dir eine Übungsgruppe suchen, wo du mit Gleichgesinnten in einem geschützten Rahmen üben und dich austauschen kannst.

2. Warum die gewaltfreie Kommunikation nicht funktioniert: Anspruch immer gewaltfrei zu sprechen

Denkst du, du musst immer gewaltfrei sein? Ich behaupte, das bekommst du nicht hin. Und das ist auch okay. Das wird wohl keiner hinbekommen, weil wir eben nur Menschen sind. Doch machst du dir diesen Druck, wird dir Kommunikation keinen Spaß mehr machen und du sagst wahrscheinlich eher gar nichts mehr.

Wenn du gewaltvoll sprichst, kann das deswegen sein, weil das eben deinem Bedürfnis entspricht, dich gerade nicht mit deinen Gefühlen und Bedürfnissen auseinander zu setzen (Abstand, Distanz, Ruhe als Bedürfnis).

Selbst Marshall Rosenberg, der die gewaltfreie Kommunikation entwickelte, schaffte es nicht, immer und überall gewaltfrei zu kommunizieren. Das ist auch nicht das Ziel, denn natürlich sind wir alle nur Menschen und stark von unseren Emotionen gesteuert.

Und wie ich immer in meinen Seminaren sage: der Wolf (Sinnbild für die gewaltvolle Kommunikation) hat auch seine Berechtigung. Er schützt uns beispielsweise, wenn wir uns nicht mit uns selbst auseinander setzen wollen.

Also: akzeptiere den Wolf in dir! Ich arbeite hier gern mit dem visualisierten Bild des Wolfs. Wenn ich ihn brauche, hole ich ihn mir direkt. Habe ich genügend Abstand und Verstand in dem Moment (statt zu viel Emotion), schicke ich ihn in sein Körbchen.

Dann nutze ich die GFK zum Reflektieren, ich gebe mir selbst Empathie, ich fühle mich in den anderen ein. Und im Idealfall führe ich ein Gespräch dazu und kläre mit meinem Konfliktpartner oder meiner Konfliktpartnerin, was jetzt eigentlich bei uns beiden los war.

3. Warum die gewaltfreie Kommunikation nicht funktioniert: Anwendung nur als Methode

Wenn du die GFK als reine Methode anwendest, ohne dem anderen Wertschätzung und Offenheit entgegenzubringen, ohne Fokus auf die Bedürfnisse, funktioniert dies meist auch nicht.

Als „Giraffe“ (Sinnbild für die GFK) sehen wir die Menschen als eben solche mit Gefühlen und Bedürfnissen.

Zwischendurch kann es durchaus passieren, dass wir das vergessen und uns eben darauf konzentrieren, dass wir doch die Führungskraft sind und unsere Mitarbeiter das machen müssen, was wir ihnen sagen.

Oder wir sind sehr gekränkt von dem, was gesagt wurde, vielleicht auch, weil das unser Kerrnthema ist, an dem wir schon seit Jahren zu knabbern haben.

Oder weil wir denken, dass der andere uns wirklich nur schaden will, denn wir kennen ihn ja gut und wissen ganz genau, was in dem anderen vor sich geht. Eigentlich ist das total bescheuert, denn wir wissen nie genau, was in dem anderen los ist. Das sind ja alles nur Vermutungen und Unterstellungen.

Egal, was gerade zutrifft, die Einstellung von „ich weiß es besser“/“du musst aber“ oder „ich bin okay, du aber nicht“ drücken wir nicht nur verbal, sondern auch non-verbal aus. Unsere Körpersprache verrät uns also und dadurch entsteht Distanz.

Die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation funktionieren also nur, wenn sie aus der Haltung heraus kommen, dass wir neugierig sind und den anderen und seine Hintergründe besser verstehen wollen. Sonst können wir uns das auch sparen.

Ein Beispiel

Ich plaudere jetzt mal aus dem Nähkästchen und erzähle dir von einer Situation aus meinem Seminar. Ich gab eine Einführung in die Haltung der wertschätzenden Kommunikation mit ihren vier Schritten und den dazugehörigen Besonderheiten. Das haben wir anhand von eigenen Beispielen geübt und diskutiert.

Beim Feedback am Ende meinte eine Teilnehmerin, wie toll sie es fände, dass sie nun wüsste, wie sie andere Menschen manipulieren könne. Ich war recht geschockt in dem Moment, doch bevor ich etwas sagen konnte, meinte sie nur, sie wüsste schon, dass das eigentlich anders gedacht ist. Oh je! Ich habe ein Monster erschaffen! Das fand ich echt bedenklich! Sie hatte gar nicht verstanden, dass es bei der Kommunikation auf Augenhöhe darum geht, gegenseitiges Verständnis zu erzeugen und empathisch miteinander umzugehen. Sie hatte den Fokus nur auf die Ergebnisorientierung gelegt.

Aber das kann halt passieren, je nachdem, welchen Fokus du hast, wenn du mit anderen Menschen arbeitest und lebst. Nicht jedem ist Empathie wichtig und manch einen interessiert es eben auch nicht, wie der andere so tickt und warum er vielleicht die Aufgabe anders verstanden hat.

Im Nachhinein fiel mir ein, dass Marshall B. Rosenberg so etwas auch passiert ist. Da traf er nach einiger Zeit auf einen jungen Herrn, der in einem seiner Seminare war und fragte ihn, was er jetzt so mache. Er sei auch GFK-Trainer und würde Führungskräften zeigen, wie sie ihre Mitarbeiter so manipulieren könnten, dass die auch immer machen, was man ihnen sagt.

Rosenberg war stinksauer und fragte ihn, wie alt er denn sei. Er nannte sein Alter, ich glaube, es war 35 und Rosenberg entgegnete, wenn er noch seinen 36. Geburtstag erleben wolle, solle er mit dem Scheiß aufhören. Also auch nicht gerade gewaltfrei, oder? 😉

Fazit

Es reicht also nicht, die vier Schritte der wertschätzenden Kommunikation nach Rosenberg zu kennen. Wenn du sie wirklich auch anwenden willst, musst du dich immer wieder selbst hinterfragen und üben. Sonst ist es leider recht normal, dass du immer wieder in alte Muster verfällst, doch Vorwürfe machst, laut wirst oder auch, dass du keine Grenzen setzt und dich selbst klein machst.

Du musst die vier Schritte Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte auch gar nicht immer alle vier anwenden, du musst nicht über deine Gefühle reden. Gespräche werden allerdings in der regel wertschätzender und erfolgreicher, wenn wir im Hinterkopf behalten, dass wir alle Gefühle haben, egal ob wir nun über sie reden oder nicht. Auch hilft oft der Fokus auf die Bedürfnisse, Abstand zu bekommen und das Gesagte nicht als Vorwurf zu hören und dadurch blockiert zu werden.

Es ist hilfreich, wenn du verstanden hast, warum wir die vier Schritte nutzen und wie sie aus der Haltung heraus entstehen. Ohne die Haltung wird es -wie schon beschrieben- schwer. Dann solltest du noch warten, schauen, ob sich dein Ärger etwas legt und erst später in den Kontakt gehen. Es kann natürlich auch sein, dass du gar keine Lust hast, gewaltfrei zu sein und schimpfen willst, dann akzeptiere auch das.

Schau dir auch gern den Blogartikel zu den Grundannahmen der gewaltfreien Kommunikation an. Da gehe ich auch nochmal ganz genau auf die Philosophie der gewaltfreien Kommunikation ein, die dann zu den vier Bestandteilen der Selbst- und Fremdeinfühlung führt. Also zu den vier Schritten aus deiner eigenen Perspektive und den vier Schritten, die du bei deinem Konfliktpartner oder deiner Konfliktpartnerin vermutest (hier findest du den Artikel zum Thema Perspektivwechsel).

War´s das zu den Gründen?

Natürlich gibt es noch andere Gründe, warum es nicht klappt mit der gewaltfreien Kommunikation. Schließlich ist Kommunikation sehr komplex und ihr Gelingen ist immer auch abhängig von dir selbst, deinem Gegenüber, dem Thema und dem Kontext, in dem das Gespräch stattfindet.

Weitere Grunde, warum dein Gespräch nicht so gewaltfrei abläuft, wie du es geplant hast, erfährst du im nächsten Artikel.

Ich freue mich, wenn du mir berichtest, warum es bisher bei dir nicht funktioniert hat. Was hast du selbst für Stolpersteine bemerkt? Schreib mir einfach!

Alles Liebe

deine Susanne

zu den internen Seminaren und zum Business Coaching

Mehr zum Lesen oder Anhören:

Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz

Die Zusammenarbeit verbessern: 7 Ideen für mehr Zusammenhalt

Nein sagen – warum es dir schwer fällt

Bedürfnisse berücksichtigen

Marshall Rosenberg

7 Tipps für erfolgreiche Meetings

Mitarbeiter die nicht hören

Online Lernprogramm zur gewaltfreien Kommunikation im Business

Hier kannst du dir den Blogartikel auch anhören

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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