Streit schlichten: gewaltfrei kommunizieren

überarbeitet im Oktober 2023

Im Umgang mit Menschen passiert es immer wieder, dass Missverständnisse und Konflikte auftauchen. Manchen Leuten macht dies nicht viel aus, sie können es direkt ansprechen und Streit schlichten fällt ihnen leicht.

Andere hingegen fühlen sich dadurch überfordert und versuchen, auch ohne Gespräch mit der Situation umzugehen.

Wenn in Menschen negative Gefühle hochkommen, können sie diese ausleben und andere anschreien und ihrem Ärger Luft machen. Das wäre eine von mehreren Möglichkeiten, ist jedoch ungeeignet, einen Streit zu schlichten.

Oft leidet folglich die eigene Stimmung, gegebenenfalls die Arbeitsfähigkeit, und das Umfeld fühlt sich ebenfalls unwohl. Gerade im Berufsalltag kann es dazu führen, dass Demotivation entsteht, man mit bestimmten Kollegen nicht mehr arbeiten möchte und im schlimmsten Fall schon innerlich gekündigt hat. Doch das muss nicht so sein. Hier kommt die gewaltfreie Kommunikation (GFK) von Marshall Rosenberg zum Einsatz…

Was ist die gewaltfreie Kommunikation?

Diese Kommunikationsform ist für verschiedene Situationen anwendbar. Besonders häufig genutzt wird diese wertschätzende Methode in angespannten oder auch bereits eskalierten Situationen. Streit schlichten lässt sich damit ganz wunderbar, deswegen benutzen sie auch Mediatoren.

Die GFK besteht aus vier Schritten:

  1. Beobachtung
  2. Gefühl
  3. Bedürfnis 
  4. Bitte

Diese vier Schritte geht die beteiligte Person zu Beginn gedanklich für sich selbst durch und anschließend in Fremdeinfühlung auch für das Gegenüber.

Ziel dieses Perspektivwechsels ist es, sich in den anderen hineinzuversetzen und sich somit für einen Austausch zu öffnen. Durch dieses Vorgehen können Konflikte leichter gelöst werden, da man sich auf die Bedürfnisse konzentriert und nach einem Konsens sucht.

Eine Suche nach Schuld und Möglichkeiten der Bestrafung sind nicht Bestandteil der gewaltfreien Kommunikation, sondern sind in ihrer Natur eher gewaltvoll. Zum Streit schlichten eignet sich diese Suche auch gar nicht.

Ein Beispiel:

Ich grüße eine Kollegin im Vorbeigehen und diese reagiert nicht. Ich bin sauer, muss sie mich ignorieren? Was habe ich ihr denn getan? Waren wir nicht neulich noch in der Küche angeregt in einem Gespräch?

So kann ich mich wunderbar in meinen Ärger hineinsteigern. Ich könnte später in ihr Büro gehen und laut werden. „Hallo, was ist denn mit Dir los? Bist du dir jetzt zu schade geworden, mich zu grüßen?“

Ihre Reaktion könnte sehr verwundert sein, denn sie ist sich der Situation nicht bewusst. Vielleicht fühlt sie sich auch angegriffen und schreit zurück. Ein Teufelskreis, den es zu unterbrechen gilt, um den Streit zu schlichten.

Bei der Anwendung der vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation könnte es so lauten:

„Vorhin bin ich im Flur an dir vorbei gegangen und habe Hallo gesagt, von dir kam kein Hallo zurück. Ich bin überrascht, weil mir der Kontakt wichtig ist. Kannst Du mir bitte sagen, ob Du mich gesehen hast?“

In den folgenden Abschnitten wird dies nun genauer erläutert.

1. Streit schlichten: Auslöser beobachten

Beim Schritt der Beobachtung wird Abstand von der auslösenden Situation gesucht und diese wird aus einer wertfreien Perspektive betrachtet.

Nützlich ist es, sich vorzustellen, die Situation wie eine Kamera zu sehen: Was ist konkret passiert oder nicht passiert? („Vorhin bin ich im Flur an dir vorbei gegangen und habe Hallo gesagt, von dir kam kein Hallo zurück.“)

Dadurch wird es möglich, bewertende Interpretationen, die zu unangenehmen Gefühlen führen, von der wertfreien Betrachtung zu trennen.

Bei regelmäßiger Anwendung fallen die verurteilenden Gedanken schneller auf und es entsteht ein Bewusstsein für die Verbindung von diesen Gedanken und den daraus folgenden unangenehmen Gefühlen.

Mit Hilfe dieser Kommunikationsform können Situationen mit Abstand betrachtet und Beobachtungen von Interpretationen getrennt werden. Streit schlichten wird dann gar nicht mehr nötig, da so Konflikte viel seltener entstehen.

2. Streit schlichten: Gefühle analysieren

Im zweiten Schritt geht es darum, zu analysieren, was in der entsprechenden Situation gefühlt wird.

Wichtig ist zu verstehen, dass dieses Gefühl lediglich von der Situation ausgelöst und nicht verursacht wurde. Ursache für die Gefühle sind die erfüllten oder nicht erfüllten Bedürfnisse, auf die im nächsten Schritt eingegangen wird.

Durch die gewaltfreie Kommunikation wird die Verantwortung für die eigenen Gefühle übernommen. Somit erhält man die Macht über die eigene Gefühlswelt zurück.

Fühle ich mich wohl, liegt es daran, dass meine Bedürfnisse erfüllt sind. Bei Unwohlsein liegen unerfüllte Bedürfnisse vor. Nun besteht die Möglichkeit dies zu ignorieren oder dagegen vorzugehen. Letzteres kann ich mit dieser Methode und um so eher den Streit schlichten zu können.

Wir differenzieren echte Gefühle und solche, die eher Interpretationen darstellen (übergangen, missverstanden etc.). Grund hierfür ist, dass der Gesprächspartner sich bei letzterem eher in die Ecke gedrängt fühlt, da man ihm etwas unterstellt. Dies passiert nicht, wenn echte Gefühle genannt werden.

Die sieben Basisemotionen von Paul Ekman (amerikanischer Anthropologe und Psychologe) geben hier Hilfestellung bei der Analyse: Überraschung, Ekel, Freude, Ärger, Trauer, Angst, Verachtung.

Im Businesskontext ist es einfacher, von Überraschung oder auch Irritation zu sprechen als zuzugeben, dass man Angst hat oder sich vielleicht hilflos fühlt.

Oft ist es so, dass Menschen sich nicht trauen, ihre Gefühle preiszugeben, besonders, wenn sie den Eindruck haben, das könnte ausgenutzt werden.

Bei der authentischen Nutzung der gewaltfreien Kommunikation wird das Gegenüber dadurch jedoch eher erreicht, als wenn Drohungen oder Warnungen ausgesprochen werden. Wie bereits erwähnt, führt dies nicht dazu, dass ein Streit geschlichtet wird, sondern feuert ihn noch weiter an.

Das Beispiel: „Vorhin bin ich im Flur an dir vorbei gegangen und habe Hallo gesagt, von dir kam kein Hallo zurück. „Ich bin überrascht,…“

3. Streit schlichten: Bedürfnisse erkennen

Weiterhin werden die eigenen nicht erfüllten Bedürfnisse der Situation analysiert. Diese gilt es zu erfüllen, damit positive Gefühle wieder möglich sind.

Die Grundannahme besteht darin, dass unsere Bedürfnisse unsere Gefühle auslösen. Sind sie erfüllt, geht es uns gut. Sind unsere Bedürfnisse nicht erfüllt, fühlen wir uns unwohl. Um letzteren Zustand zu ändern, ist es elementar, die nicht erfüllten Bedürfnisse zu erkennen und Abhilfe zu schaffen (dies erfolgt durch den vierten Schritt „Bitte“). Im obigen Beispiel hieße es zum Beispiel „weil mir der Kontakt wichtig ist.“

Bei der Formulierung ist darauf zu achten, dass dieses Gefühl vorhanden ist, „weil mir der Kontakt wichtig“ ist und nicht, „weil du mich nicht gegrüßt hast.“

Somit kann gefolgert werden, dass unsere Bedürfnisse unsere Taten lenken. Für die eigenen Bedürfnisse sind wir selbst verantwortlich. Um sie zu erfüllen, gibt es verschiedene Wege: wir können sie uns selbst erfüllen oder andere fragen. Auch verschiedene Strategien stehen dabei zur Verfügung. Eine weitere Erkenntnis ist, dass Menschen nicht für die Erfüllung der Bedürfnisse anderer zuständig sind.

Hierbei geht es nicht um puren Egoismus, lediglich darum, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und zu sehen, dass die eigene Kraft davon abhängt, wie wir mit uns und unseren Bedürfnissen umgehen. Anders ausgedrückt: Die Bedürfnisse werden als Motivator für Handlungen erkannt.

4. Streit schlichten: Änderung erbitten

Bei dieser Analyse bleibt es nicht. Durch den letzten Schritt, die Bitte, ändert sich etwas an der Situation und eine Handlungsorientierung erfolgt. („Kannst Du mir bitte sagen, ob Du mich gesehen hast?“)

Somit deckt die gewaltfreie Kommunikation beide Ebenen der Kommunikation ab, die Sachebene (durch die Beobachtung und Bitte) und die Beziehungsebene (durch Gefühl und Bedürfnis).

Des weiteren geht es der gewaltfreien Kommunikation darum, dass wir erkennen, dass Menschen gern helfen und sich gegenseitig unterstützen. Bekommen Personen die Möglichkeit, freiwillig zu helfen, tun sie dies gern. Sobald jedoch Druck aufkommt, verschließen sie sich und helfen weniger gern. So kommt es dann auch eher zu Verstimmungen und zum Streit.

Folglich ist es wichtig, dass Bitten mit der richtigen Haltung ausgesprochen werden: als Bitte und nicht als Forderung, so dass der Gegenüber die Möglichkeit hat, dieser Bitte nicht nachzukommen.

Diese Bitte kann an sich selbst gerichtet sein, an den Betroffenen, mit dem die Situation besteht oder an jemand anderes. Dabei kann die Bitte ganz einfach sein. Beispielsweise „Kannst du mir bitte sagen, ob du bereit bist, mit mir über dieses Thema zu reden?“

Streit schlichten: Feedback und Mitarbeitergespräche

Mit dieser Methode kannst du als Führungskraft zusätzlich Feedback erteilen im Mitarbeitergespräch. Mit den vier Schritten gebe ich dem anderen konkret die Situation vor, um die es geht und schildere meine Gefühle und Bedürfnisse. Anschließend bitte ich die Person konkret um etwas.

Zu ergänzen ist, dass ich auch positives Feedback geben kann. In diesem Fall besteht der letzte Schritt nicht darin, zu bitten, sondern sich zu bedanken.

Ein Feedback in dieser Form motiviert das Gegenüber wesentlich stärker, als wenn nur gesagt wird „Toll, das hast Du gut gemacht.“ Durch Letzteres stelle ich mich eher über den anderen als dass ich mit ihm auf Augenhöhe bin.

Durch das Anwenden und Leben der gewaltfreien Kommunikation ist es somit möglich, entspannter mit Konfliktsituationen umzugehen, einen Streit zu schlichten und so die eigene Lebensqualität zu steigern.

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Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

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5 Kommentare

  1. Hallo Susanne,

    ein sehr schöner Artikel über die Anwendung der GFK im Business. Ich hoffe, es werden viele deinen Artikel lesen und die Stimmung in den Büros werden positiv ansteigen. 🙂 Es steckt soviel Kraft und Möglichkeiten in der GFK.

    Mit sonnigen Grüßen
    Jana

    • Vielen Dank!
      Mir hat die GFK schon so oft geholfen, dass ich sie einfach den Menschen näher bringen möchte :).
      Liebe Grüße
      Susanne

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