Gewaltfreie Kommunikation Beobachtung: Das ist dabei wichtig

Gewaltfreie Kommunikation Beobachtung statt Bewertung

Beobachtung statt Bewertung!? Das ist einer der vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation. Als wenn das so einfach wäre! Das höre ich in meinen Seminaren und Workshops immer wieder. Ja, das stimmt auch, hier ist ein wenig Übung nötig. Doch du weißt ja: Wie bei allem im Leben wirst du immer besser, je häufiger du es tust!

Was ist gewaltfreie Kommunikation?

Zuerst sollten wir mal klären, was gewaltfreie Kommunikation (GFK) überhaupt ist. Das werde ich hier nur kurz erklären für den Überblick, da du in der Linkliste unten weitere Artikel findest, in denen ich ausführlicher auf die GFK eingehe.

Also mal kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass es sich hierbei um eine besondere Form der Kommunikation handelt. Der Fokus ist dabei auf gegenseitiges Verständnis und ein Grundinteresse daran, den anderen und sich selbst wertschätzend zu behandeln. Das heißt nicht, dass man alles gut findet oder gar gutheißt, was der andere gemacht hat. Dennoch achten wir im Umgang miteinander darauf, dass wir respektvoll sind.

Die vier Schritte, die ein Bestandteil der GFK sind, helfen, Situationen zu reflektieren, die wir nicht gut finden. Außerdem können wir sie als Struktur in Gesprächen nutzen.

Das sind die vier Schritte, zu denen ich auch jeweils einzelne Blogartikel geschrieben habe.

Vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation

Erster Schritt der gewaltfreien Kommunikation: Beobachtung

An dieser Stelle möchte ich gern etwas genauer auf den ersten Schritt der vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation eingehen: die wertfreie Beobachtung der Situation. Dabei stellst du dir vor, dass du eine Situation, die du erlebt hast, in einem Kamera-Modus betrachtest. Du lässt alles außen vor, was Unterstellungen oder Mutmaßungen sind und konzentrierst dich auf das, was man sehen und hören kann. Das heißt auch, dass du Verallgemeinerungen konkretisierst und Begriffe wie „nie“, „alle“ oder auch „keiner“ nicht benutzt.

Das sind die wichtigsten Aspekte bei der Definition der Beobachtung:

  • wertfrei
  • objektiv
  • Fokus auf das, was wir sehen und hören
  • Kameramodus
  • so konkret wie möglich
  • Zahlen, Daten, Fakten

Beispiel Beobachtung statt Bewertung

Ein Beispiel macht es deutlicher, was genau darunter zu verstehen ist, wenn du in einer Situation beobachtend unterwegs bist. Stellen wir uns vor, dass du als Führungskraft zu deinem Mitarbeiter gehst und ihn darauf ansprechen willst, wie sein Arbeitsplatz aussieht, weil dich das stört.

Bewertung: „Dein Arbeitsplatz ist so unordentlich!“.

Das ist nicht objektiv, denn das kann jeder anders sehen, da wir auch unterschiedliche Ansprüche haben an Ordnung und Sauberkeit. Meistens nehmen wir uns selbst als Maßstab und denken, das wäre der Standard.

Wie sieht es damit aus?

„Auf deinem Schreibtisch stapeln sich schon ewig deine Aktenordner!“

Das ist konkreter, doch noch nicht konkret. Denn was heißt schon „ewig“?

Beobachtung: „Auf deinem Schreibtisch liegen seit Montag letzter Woche fünf Aktenordner aus dem Jahre 2015.“

Merkst du den Unterschied? Nicht immer kannst du Zahlen mit einfließen lassen, doch da, wo es geht, nutze sie auch.

Warum sollten wir gewaltfrei beobachten statt bewerten?

Menschen nehmen die Dinge oft unterschiedlich wahr, sind sich dessen aber nicht bewusst. Beschreiben verschiedene Passanten nach einem Unfall die Szene, geht einer auf das Auto ein, die nächste auf die zeitliche Abfolge und wieder ein anderer fokussiert einen anderen Aspekt.

Auch beschreiben wir mit unterschiedlichen Begriffen, je nachdem, was für uns normal ist. Unsere eigene Emotionalität kommt da zusätzlich mit ins Spiel.

Unsere Bewertungen erzeugen Gefühle. Wenn du die Situation also neutraler betrachtest, bekommst du dadurch mehr Abstand und deine Emotionen kochen nicht so hoch.

Anstelle dessen unterstellst du weiterhin keine böse Absicht, sondern fokussierst dich auf die Fakten. Denn du könntest ja auch denken, dass dein Mitarbeiter faul ist oder dich als Führungskraft nicht ernst nimmt. Das wäre dann zum Beispiel eine negative Unterstellung. Du musst dich jedoch nicht in etwas reinsteigern, von dem du gar nicht weißt, ob es überhaupt stimmt!

Das ist also ein Vorteil für dich als Anwender der Beobachtung.

Jetzt könnten wir uns noch fragen, was dein Gegenüber davon hat, wenn du auch im Gespräch die Beobachtung anwendest.

Auch für diese Person ist es von Vorteil, wenn er keine Vorwürfe oder ähnliches hört, da er so weniger gestresst ist. Außerdem holst du den anderen eher ab, denn er weiß durch den Fokus auf die sachlichen Punkte viel eher, um was es dir konkret geht. Schließlich ist es viel klarer, wenn du konkret wirst und nicht verallgemeinerst.

Bewerten ist so normal

Wie oft gehe ich durch die Straßen, sehe Menschen und habe sofort eine Meinung zu der Person? Wie oft sehe ich Dinge in meiner Umgebung und bewerte sie, anstatt sie nur zu beobachten? Seltener als früher, doch es kommt immer noch vor. Wie zum Beispiel neulich die tote Fliege im Schaufenster einer Apotheke- da dachte ich, dass da wohl keiner auf die Sauberkeit achtet.

Es ist ganz normal, dass wir ständig die Welt und Personen bewerten, statt sie objektiv zu beobachten. Deswegen soll es jetzt auch nicht das Ziel sein, dass du nie wieder bewertest. Das wäre auch sehr unrealistisch.

Bewertung der Gefahr

Doch es ist eine Sache, wenn es in einer Situation darum geht, abzuschätzen, ob uns Gefahr droht. Da kommt das nämlich ursprünglich her mit dem Bewerten. Als Neandertaler haben wir immer schauen müssen, ob etwas gefährlich ist oder nicht. Das sollte also ursprünglich mal unser Überleben sichern ;).

Hier ist es elementar, dass wir gleich wissen, ob es gefährlich für uns werden könnte und welche Maßnahmen wir einleiten sollten. Doch im Alltag sind wir nicht oft in Lebensgefahr, zumindest, wenn wir uns in Deutschland befinden.

Also wie ist das mit der Fliege und Gefahr? Ja, die könnte mir egal sein. Das gefährdet nicht meine Sicherheit (außer wenn vielleicht die toten Fliegen beim Bäcker sind).

Was machen diese Bewertungen mit uns?

Unsere meist unbewussten Bewertungen nehmen uns oft den Zugang zu anderen Menschen und lassen Mauern entstehen, wo keine sein müssen. Diese Bewertungen stressen uns selbst, da wir auch oft unterstellen, dass jemand etwas gegen uns hat.

Da ist dann jemand

zu alt,

zu jung,

zu neu in der Firma,

zu lange im Geschäft,

sieht gruselig aus,

macht die Aufgaben nicht so, wie wir es gern hätten,

unterbricht zu oft,

kann uns nicht leiden,

fragt nicht oft genug nach…

Ergänze gern hier diese Liste mit deinen Bewertungen. Dadurch grenzen wir uns ab. Wir fragen nicht nach, wie jemand es gemeint hat, warum er oder sie es anders macht als wir selbst. Und oft genug sprechen wir es auch nicht an, wenn wir gern ausreden möchten…

Anders ist der Austausch mit den anderen, wenn wir uns an die Beobachtung der gewaltfreien Kommunikation halten.

Ein weiteres Beispiel zur gewaltfreien Kommunikation Beobachtung

Ich schicke einer Mitarbeiterin eine SMS und die antwortet nicht. Ich bin sauer, kann sie sich nicht die Zeit nehmen und antworten? Bin ich nicht wichtig genug, schließlich bin ich doch ihre Chefin!?

Hat sie nicht mal zwei Minuten, um eine SMS zu schicken? So busy kann sie ja nicht sein… So kann ich mich wunderbar in meinen Ärger hineinsteigern (auf den Schritt Gefühle gehe ich hier genauer ein) und aus einer Mücke einen Elefanten machen.

Ich könnte ihr erneut schreiben: „Wieso antworten Sie nicht? Es ist doch klar, dass es wichtig ist, wenn ich Ihnen schreibe! Sie sind immer so unzuverlässig!!!

Vielen Dank… Beachte auch die Wortwahl wie „unzuverlässig“ und „immer“. Damit beleidige ich sie und pauschalisiere ihr Verhalten. Schließlich wird es nicht stimmen, dass sie „immer“ unzuverlässig ist.

Aber ich könnte auch sagen: Stopp! Was ist eigentlich passiert? Wie kann ich diese Situation objektiv ohne Wertung beschreiben?

Zum Beispiel so:

Ich habe eine SMS verschickt, bisher ist bei mir noch keine Reaktion darauf eingegangen.

Schließlich kann ich nicht wissen, ob meine SMS bei ihr eingegangen ist und auch nicht ausschließen, dass eine Reaktion verschickt wurde, doch bei mir nicht ankam.

Wie oft ist es gerade bei technischen Dingen so, dass sie nicht so funktionieren wie man es will? Und mir ist das wirklich schon passiert, dass ich mehrere Nachrichten geschrieben hatte und diese bei der anderen Person nicht eingegangen sind.

Es geht hier nicht darum, Ausreden zu erfinden, sondern, zu schauen, was objektiv zu betrachten ist. Es geht darum, dass unsere Interpretation zu schlechten Gefühlen führt und nicht klar ist, ob wir richtig interpretiert haben.

Ich könnte jetzt meine Mitarbeiterin anrufen und nachfragen, ob meine SMS eingetroffen ist (ohne Vorwurf!). Es fühlt sich für mich viel besser an, nicht zu interpretieren und schlechten Gefühlen ihren Lauf zu lassen.

Weniger bewerten durch Umkehrungen

Wie kannst du es trainieren, mehr Abstand zu bekommen und mehr zu beobachten?

Wie kannst du dich auf dich selbst konzentrieren, anstatt immer nur zu schauen, was die anderen machen oder was sie über dich denken? Dazu habe ich verschiedene Sachen ausprobiert.

Byron Katie gibt dazu einige Tipps. Die erste Übung ist, Urteile umzukehren. Hier geht es darum, zu bemerken, wenn man andere be- oder verurteilt. Dann suche nach einer Umkehrung.

  • Stört dich das, was an der anderen Person auffällt, vielleicht auch an dir selbst?
  • Hast Du auch diese Eigenschaft, machst Du das manchmal auch?
  • Magst Du das auch an Deinem Körper nicht?

Durch dieses Hinterfragen lenkst du deine Aufmerksamkeit auf dich selbst und weg vom anderen. So kannst du geduldiger und liebevoller mit den anderen umgehen.

Sehe dich nicht als Opfer deiner Umwelt, auf die du nur reagieren kannst. Nehme die Gestaltung selbst in die Hand und verändere deine Urteile und Überzeugungen.

Fazit gewaltfreie Kommunikation Beobachtung

Das reine Beobachten verringert deinen Stress und macht es möglich, mit mehr Abstand eine Situation zu betrachten.

Nutzt du den ersten Schritt der gewaltfreien Kommunikation zu Beginn des Gesprächs, weiß auch der andere gleich, um was es geht. So muss dein Gesprächspartner weniger interpretieren und hört dir auch eher weiter zu. Das reine Beobachten hilft also wunderbar, Konflikte zu vermeiden oder schneller aufzulösen.

Alles Liebe

deine Susanne

Mehr zu dem Thema lesen oder auch üben:

Buch Superkräfte für Führungskräfte – gewaltfreie Kommunikation im Beruf

Umgang mit anderen Meinungen

Stressfreie Kommunikation- Konflikten vorbeugen

Konflikte auflösen

Kommunikation verbessern: Umgang mit Unterbrechungen

Pausen machen: so gelingt es dir besser

Basis-Seminar gewaltfreie Kommunikation im Business

Jetzt reicht es! Vorwürfen souverän begegnen

Susanne Lorenz
Susanne Lorenz

Ich habe mich als Kommunikationstrainerin, Buchautorin und Business Coach auf Führungskräfte spezialisiert, nachdem ich im Anschluss an mein Germanistikstudium selbst mehrere Jahre als Managerin Erfahrungen gesammelt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist meine Leidenschaft. Meine Vision ist, dass Menschen am Arbeitsplatz mehr miteinander statt übereinander reden und konstruktiv ansprechen, was sie stört.

Mit meinen Coachings und Trainings erhöhe ich die Transparenz und Wertschätzung in Unternehmen. Mein Blog www.wirksam-kommunizieren.de dreht sich um erfolgreiche Kommunikation im Berufsalltag.

15 Kommentare

  1. […] Im letzten Blogartikel habe ich Dir Tipps für die wertfreie Beschreibung gegeben. Hier geht es nun um die Besonderheiten bei dem zweiten Schritt der gewaltfreien Kommunikation, den Gefühlen. Gefühle kennt jeder. Jeder hat sie, jeden Tag, sein ganzes Leben lang. Wir sind verliebt, fröhlich, glücklich, gelassen, traurig, wütend,  enttäuscht, verwirrt….   […]

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